Demokratisch Handeln - Der Wettbewerb 1999
Jugend für Dora e.V.
Themen:
- Geschichte, Lokalgeschichte, NS-Geschichte etc.
Seit 1995 besteht der internationale Jugendverein "Jugend für Dora e.V.". Er widmet sich der Bewahrung der historischen Reste des ehemaligen KZ Mittelbau-Dora, nutzt die KZ-Gedenkstätte als Ort der Begegnung zwischen ausländischen und deutschen Jugendlichen sowie zwischen heutiger Jugend und den ehemaligen Häftlingen und deren Befreiern. Die verschiedenen Projekte, die vom Verein "Jugend für Dora" in Zusammenarbeit mit Vereinsfreunden und anderen Vereinigungen organisiert und durchgeführt werden, dienen insgesamt der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen, die mit dem KZ Mittelbau-Dora zusammenhängen. Der Aufruf eines Verbandes ehemaliger Häftlinge dieses KZ an Jugendliche, die Erinnerungsarbeit der Häftlinge fortzusetzen, führt 1995 zur Konstituierung einer Jugendvereinigung, aus der 1997 der Verein "Jugend für Dora e.V." hervorgeht. Schüler wirken in diesem Verein mit älteren Jugendlichen zusammen und werden dabei von Pädagogen unterstützt. Seit 1996 organisiert der Verein alljährlich ein internationales Workcamp. Jugendliche, die an den Workcamps teilnehmen, werden auf verschiedene Weise gegen das Vergessen der nationalsozialistischen Verbrechen aktiv. So machen die Mitarbeiter des Workcamps von 1997 die ehemalige Lagerzauntrasse den Gedenkstättenbesuchern überhaupt erst zugänglich. An einem weiteren Workcamp (1998) beteiligen sich auch ehemalige Häftlinge, die einer Einladung des Vereins gefolgt sind. Die Begegnungen im Workcamp führen zu dauerhaften Kontakten zwischen den Workcampteilnehmern und darüber hinaus zu einer internationalen Zusammensetzung der Mitgliedschaft des Vereins. Die Vereinsmitglieder dokumentieren nicht nur die Aktivitäten ihrer Organisation, sondern auch die Berichte von Zeitzeugen, die aus mündlichen und schriftlichen Befragungen dieser Zeugen hervorgehen. Die Zeitzeugenbefragung folgt zwar geschichtswissenschaftlichen Massstäben, jedoch betrachten die Vereinsmitglieder ihre Interviews als Alternative zu einer Geschichtswissenschaft, in der individuelle Erfahrungen unterbelichtet bleiben. Der Dialog mit den Zeitzeugen kann auch als Gegengewicht zu kollektiven Gedenkfeiern für die Opfer des NS-Terrors gelten, denn einzelne Opfer stehen im Zentrum der Zeitzeugenbefragung. Die Jugendlichen lernen nicht nur Einzelschicksale kennen, sondern erfahren auch von der Fähigkeit überlebender Häftlinge, den Tätern zu verzeihen. Eine entscheidende Wirkung der Vereinsprojekte im Hinblick auf die gegenwärtige politische Orientierung scheint darin zu liegen, dass die Vereinsmitglieder durch eine selbständige und intensive Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen im Zwiegespräch und in gemeinschaftlicher Arbeit Resistenz gegen politisch-gesellschaftlich verordnete kollektive Trauer entwickeln. (LW)
[Nordhausen, 1999]
Kontaktdaten
Jugend für Dora e.V.Kohnsteinweg 20
99734 Nordhausen