Demokratisch Handeln

Demokratisch Handeln - Projekt 90/13

Schule und Hausbesetzer – Nachbarschaft während der Barrikadenzeit

Themen:

• Kommune, lokales Umfeld
• Zusammenleben, Migration, Minderheiten
• Geschichte, Lokalgeschichte, etc.

In der vorliegenden Darstellung wird ein Projekt der Schule Friedrichstrasse in Hamburg beschrieben, das Anfang der 1990er Jahre realisiert wurde:Anfang der 1980er Jahre kommt es in der Hafen- und der Bernhard-Nocht-Strasse im Hamburger Stadtteil St. Pauli zu Hausbesetzungen durch Studierende und junge Leute. Grund dafür sind Wohnungsnot und der Versuch, die Häuser vor dem Verfall zu bewahren. Die Auseinandersetzungen zwischen Hausbesetzern und Senat erreichen 1987 ihren Höhepunkt, als die Räumung und der Abriss der Häuser verordnet werden. Die Besetzer und ihre Sympathisanten errichten Barrikaden, um das Vordringen der Polizei zu verhindern, wofür unerlaubt auch Schulmöbel der angrenzenden Schule Friedrichstrasse verwendet werden. Das sehr gute nachbarschaftliche Verhältnis zwischen den Bewohnern der Hafenstrasse und der Schule gerät ins Wanken. Die Hausbesetzer entschuldigen sich nach einem klärenden Gespräch bei der Schulleitung und sammeln 3.000 DM, um den Schaden zu begleichen. Die beiden nachbarschaftlichen Parteien nähern sich erneut einander an, gemeinsame Projekte zwischen den Hausbesetzern und Schülern werden realisiert. Der Hafenstrassenbewohner Kai Teschner gestaltet 1990 gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern der Schule Friedrichstrasse die Fassade eines der Schulgebäude. Zusammen entwerfen und malen sie ein Wandbild, das sich mit der Barrikadenzeit und deren Hintergründen befasst. Durch die dargestellte Barrikade aus Schulmöbeln und die darüberspringenden (Fantasie-)Figuren und Schüler soll an den Ausnahmezustand, die Aufbruchstimmung und die gute nachbarschaftliche Beziehung zwischen den Besetzern und den Schülern, von denen selbst einige in den besetzten Strassen leben, erinnert werden.2012 ist bereits der obere Teil des Wandbildes restauriert worden. An der Restauration des unteren Teils werden im Frühjahr nächsten Jahres auch die Schüler der Schule beteiligt sein. Im Rahmen des Projektes kommt ein neues Wandbild auf dem Schulgelände hinzu, das allein von den Schülerinnen und Schülern entworfen und ausgeführt werden soll. Die Zeit der Barrikaden in den besetzten Strassen ist für die Kinder der Schule Friedrichstrasse faszinierend, die Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Hausbesetzern allerdings teilweise auch erschreckend. Die gemeinsamen Gespräche und Konfliktlösungen zwischen Hausbesetzern und Schule haben jedoch die gute Nachbarschaft bis heute gefestigt. Nach der friedlichen Beendigung der Hausbesetzungen leitet ein Bewohner der Hafenstrasse noch heute die sogenannte "Fahrradselbsthilfe" in der Schule. Gemeinsam mit den Schülern repariert er dort Fahrräder und führt Verkehrserziehung durch. Eine ehemalige Bewohnerin arbeitet im Sekretariat der Schule. Weiterhin sind beide Parteien u.a. an der Gründung eines Stadtteilvereins und eines Kinderhauses beteiligt. (SH)