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Zeitgeschichte, Gedenken und Erinnern und die Frage der Demokratiepädagogik

Am Samstagvormittag lieferte der Hamburger Geschichtsdidaktiker Bodo von Borries einen zweiten Blick von außen auf den Wettbewerb "Förderprogramm Demokratisch Handeln". Von Borries wies darauf hin, dass das kulturelle Gedächtnis stets sozial konstruiert und von Interessen abhängig sei. Woran wir erinnern, gedenken und mahnen sei keinesfalls objektiv und kriterienfest, allerdings auch kaum zufällig. Während in Deutschland das Jahr 1989 von vielen als ein Erfolgsjahr vermarktet würde, erwiesen sich die Umbrüche im selben Jahr andernorts im Rückblick als katastrophal. Kriege brachen aus, Diktaturen und Gottesstaaten wurden gefestigt. "Was 1989 betrifft, nimmt Deutschland eher eine Randposition ein", so von Borries. Internationale Studien zum politischen und Geschichtsbewusstsein von Jugendlichen zeigten zudem, dass Demokratie und Menschenrechte bei Jugendlichen in Europa eher Langeweile und Ablehnung auslösten. Von Borries schlug deshalb vor, Demokratie und Menschenrechte in historischen oder politischen Fallstudien zu analysieren. Jugendliche sollten selbst aus einer aufgeklärten demokratietheoretischen Perspektive untersuchen, ob das Staatswesen den Ansprüchen einer Demokratie genüge. Es sollte dabei aber nicht vorrangig um Institutionen und Verfahrensfragen des Diskurses und der Deliberation gehen, sondern insbesondere um soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Die Lage auch der demokratischen Gesellschaften dürfe nicht beschönigt werden. Wer die Entwicklungen und Problemen der Demokratie studiere, "... kommt um politische Skandale nicht umhin, etwa Parteispendenaffären, illegale Rüstungsexporte, geschönten Gutachten über die Sicherheit von Atommülllagern oder politische Eliten, die die Vorschläge von Think Tanks und Lobbyisten einfach abnicken". Für von Borries ist eine Demokratie als Lebensform schließlich die Überlebensfrage. Es gehe um die persönliche Erfahrung von Menschen, etwas bewegen zu können. Auch Bodo von Borries war entschlossen, pure Akklamation über ein zwanzig Jahre laufendes Projekt zu verhindern und mit rationaler Skepsis Vorsicht im Urteil über die Wirkung von Geschichtsdidaktik und Demokratiepädagogik mit dem unbedingten Willen zur weiteren Förderung von Lern- und Schulqualität in dieser Frage zu verbinden. Aufklärung, auch und geschichtliche Bildung, sind - das wurde eindrucksvoll verdeutlicht - ein anstrengendes Geschäft für die Menschen und bleiben deshalb eine anhaltend komplexe Aufgabe für Schule und Unterricht. Die Tagung schloss mit einem Podiumsgespräch, bei dem Christa Goetsch, Bildungssenatorin Hamburg, Dr. Torsten Oppelland von der Universität Jena, Heike Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung, Wilfried Kretschmer, Schulleiter der Robert-Bosch-Gesamtschule Hildesheim, die Preisträgerschule des Deutschen Schulpreises 2007, sowie Klaus Wenzel, Präsident des Bayrischen Lehrerinnen- und Lehrerverbandes München darüber diskutierten, "wohin die Macht wandert und wo die Demokratie bleibt".

Aus zwanzig Jahren Wettbewerb "Förderprogramm Demokratisch Handeln" folgerte Peter Fauser, dass Demokratiepädagogik prägnante, richtungsstarke und qualitätsförderliche Beiträge zum Lernen, zur Schulentwicklung und zur Professionalisierung des pädagogischen Personals leiste. Demokratiepädagogik gehöre, so der wissenschaftliche Leiter des Förderprogramms Demokratisch Handeln, zu den notwendigen Qualitäten guter Schule und biete eine Fülle konkreter und erprobter Entwicklungswerkzeuge. "Es gibt keine gute undemokratische Schule", fasst es Peter Fauser zusammen. "Gute Schulen sind demokratische Schulen" wendet dies Wolfgang Beutel. Dort würden gegenseitige Anerkennung, Toleranz und Respekt gelebt. Dies solle durch starke Akteure in Staat und Zivilgesellschaft entschieden gefördert werden. Was in diesem Wechselspiel banal klingt, ist einer der substanziellen Dreh- und Angelpunkte gegenwärtiger und künftiger Schulentwicklung und Bildungsreform. An fachlicher Expertise, an Konzepten und Protagonisten – so die Bilanz der Tagung insgesamt – fehlt es jedenfalls nicht.

(Veit Polowy, Oktober 2009)

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