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Der zweite Tag: Sozialwissenschaftliche Analysen, pädagogischer Blick und Themenworkshops

Hier stand nun der Blick von außen auf den Wettbewerb und begleitenden Programmaktivitäten im Zentrum. Der Schweizer Erziehungswissenschaftler Fritz Oser betonte in seinem Vortrag, dass es entscheidend sei zu verstehen, wie Kinder und Jugendliche politisch denken und wie sich politische Urteile entwickelten. Partizipation müsse hierbei differenziert beurteilt werden. Zahlreiche Studien hätten dabei gezeigt, dass Partizipation in den Bereichen Soziales, Gesellschaft und Politik jeweils etwas anderes bedeute und ein direkter "[...] Transfer von einer sozialen zu einer politischen Partizipation nicht stattfindet". Ein instrumentell zu verstehender Erfahrungstransfer ist zwar nicht nachweisbar, gleichwohl ist Partizipationserfahrung keinesfalls bedeutungslos für das Demokratielernen. Oser schlussfolgerte, dass Kooperation und Partizipation in Schulen auf zumutbarer Verantwortung bauen müssen. Echte Verantwortung müsse wirklich und wirksam geteilt werden. Nur so sei ein Empowerment von Schülern möglich. Eine nachhaltige Partizipation sei beispielsweise in einer Just Community, einer gerechten Schulgemeinschaft möglich, in der gemeinsame Angelegenheiten verhandelt und Konflikte geregelt werden. Neben Versammlungen nannte Oser als weitere Aktivitäten einer Schuldemokratie soziale Ereignisse, Rituale und Zeremonien, klassenübergreifende Unternehmungen, kooperatives Lernen sowie
Dilemmadiskussionen in den Klassen zur Förderung der Entwicklung des moralischen Urteils. Als "pädagogische Basisstruktur" empfahl Oser schließlich ein Arrangement, dass Schülerinnen und Schülern Sinnsuche ermögliche in Situationen, in den Kooperation möglich ist. Bedeutsam sei deshalb die pädagogische "Zu-Mutung", ein "Du kannst". Neben Ermutigung und Vertrauen benötige die Schule eine Lernkultur, in der Fehler akzeptiert und nicht negativ bewertet würden. Pädagoginnen und Pädagogen sollten zudem eine diskursive Haltung einnehmen, am geistigen Leben des Lernenden teilnehmen sowie Denkabläufe begleiten und gemeinsam mit dem Lernenden entdecken. Selbstakzeptanz und Selbstwirksamkeit gilt es zu stimulieren, Selbstregulierung zu ermöglichen. So bleibt eine ambivalente Wahrnehmung dieser kritischen Sicht auf die Sache der Demokratiepädagogik, die einerseits zu schnellen Wirksamkeitserwartungen an demokratiepädagogischen Projekten mit Skepsis begegnet, zugleich aber ein feines Ohr für die pragmatischen, kommunikativen und lernpraktischen Verhältnisse in den Schulen aufrecht erhält. Demokratiepädagogischen Interventionen wird also keinesfalls der Wert abgesprochen, gleichwohl ist diese darin gefordert, evaluative Strategien weiter zu entwickeln.

In einem nachfolgenden Podiumsgespräch berichteten Hiltrun Hütsch-Seide (Berlin), Hans-Wolfram Stein (Bremen) sowie Hans Berkessel (Rheinland-Pfalz) von ihrer Tätigkeit als Regionalberater für Demokratisch Handeln. Dabei wurden unterschiedliche Beratungsstrategien in den Bundesländern, aber auch die Grenzen der Begleitung von Schulentwicklungsprozessen durch Beratung deutlich. Insbesondere konnte die Wechselwirkung eines – vereinfacht gesagt – Bedingungsdreiecks sichtbar gemacht werden, in dem die spezifischen schulstrukturellen Merkmale der jeweiligen Länder, die biografischen Erfahrungen und dadurch bedingten Kompetenzen der beratenden Personen und ein je spezifisches, von ihnen bewusst gewähltes Konzept von Schulentwicklungsberatung zusammenwirken. Deutlich wurde zumal, wie wichtig für eine qualitative Wahrnehmung von demokratiepädagogischen Schulentwicklungsleistungen eine solche auf Individualität und kontextnahe Passung der Beratungsinstrumente ausgerichtete Strategie ist. Hier entfaltet das Förderprogramm Demokratisch Handeln zwischen Wettbewerb und den einzelnen Schulen eine ganz eigene Beratungsqualität.

Am Nachmittag vertieften die Tagungsteilnehmer ihre Diskussionen zu Demokratiepädagogik Partizipation und Demokratisch Handeln im Unterricht, Schule, Schulleben und darüber hinaus sowie zum Umgang mit der Geschichte des geteilten Deutschlands in fünf Workshop-Gruppen. Dabei wurden kontrastiv zum Startkolloquium "Schule der Demokratie" vor genau zwanzig Jahren an der Universität Tübingen die drei Bereiche "Unterricht", "Schulleben" sowie "Schule und Umfeld" in den Mittelpunkt gestellt. Als dem Programm in seiner Entwicklung hinzugewachsene Aufgabenfelder und Herausforderungen kamen die "Schülerpartizipation" und "Schule in Ost und West" hinzu.

Der zweite Tag endete amüsant mit einem interaktiven Improvisationstheater des Projekts "Fast Forward Theatre" aus Marburg. Vorschläge aus dem Publikum bildeten dabei die Grundlage für die Szenen, die Antje Keßler und Martin Esters unter musikalischer Begleitung durch Jens Dörr darboten. Lehrerrollen, ein Rückblick auf Stichworte und Themen der Veranstaltung selbst und die offene Frage der Demokratie haben sich witzig und anregend zugleich auf der Bühne widerspiegeln lassen...

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