Direkt zum Inhalt springen

Sie befinden sich: Veranstaltungen & Termine » 2010

Schulentwicklung, Unterrichtsqualität und Leistungsbeurteilung

 

Durch gute Beispiele und Fachlichkeit aufmerksam machen!

Ein Lernforum des Deutschen Schulpreises und des Wettbewerbs Demokratisch Handeln am Conrad-von-Soest-Gymnasium

Es war ein Treffen derer, die als erstes Ziel von Schulentwicklung die Verbesserung der Lernqualität und der Lernbedingungen sehen - für die Schülerinnen und Schüler ebenso wie für die Lehrerschaft. Strukturfragen und der politische Handel um Schularten, Übergangs- und Gliederungszeitpunkte spielen dabei eine eher untergeordnete Rolle. Es wird in diesem Kreis auch nicht nach zentraler Steuerung des Bildungswesens durch den Bund gerufen, wie dies angesichts der verfahrenen Lage gegenwärtiger Landesschulpolitiken nach der Föderalismusreform gerade in den Medien derzeit gängige Praxis ist. Beim Lernforum "Schulentwicklung, Unterrichtsqualität und Leistungsbeurteilung" sind vielmehr die Qualität des schulischen Einzelfalls und die andauernde Bereitschaft entscheidend, an der Schule für eine stetige und aufmerksame Praxisveränderung im Sinne der Anpassung der Lernverhältnisse zum Wohle der Lernenden zu arbeiten.

Stillstand ist solcher Pädagogik ebenso ein Feind wie vorschnelle Selbstgewissheiten über Schülertypen, Schularten und die alleinseligmachende Didaktik. So könnte man das Credo der rund 70 engagierten Pädagoginnen und Pädagogen zusammenfassen, die sich am 23. Juni 2010 im Conrad-von-Soest-Gymnasium zu diesem Lernforum versammelt haben. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, überwiegend Schulleiter und Lehrkräfte aus den Regierungsbezirken Arnsberg und Münster in NRW, wollten beides: Einerseits fundamentale Informationen zu den Wettbewerben und Förderprogrammen "Demokratisch Handeln" und "Deutscher Schulpreis" erhalten, die die Veranstaltung gemeinsam mit dem ConvoS durchgeführt haben, andererseits mit ihrem Interesse, ihren Fragen und vor allem ihren Erfahrungen einen Beitrag dazu leisten, um Schulqualität im Einzelfall zu beschreiben.

Der Schulträger will mitmischen – regionale Bildungslandschaften

Dass die Präsentation von qualitativ hochwertigen Bildungsangeboten inzwischen nicht mehr alleine eine Sache pädagogischer Fachdiskurse ist, macht schon die Präsenz des Beigeordneten und Stadtkämmerers (so etwas wie der zweite Bürgermeister und der Finanzminister in der Personalunion) von Soest zum Tagungsbeginn deutlich. Peter Wapelhorst betont, wie wichtig - gerade auch für die finanzpolitischen Entscheidungen der Schulträger - zum einen ein differenziertes und auf Unterscheidbarkeit angelegtes Qualitätsbewußtsein in den Schulen einer Kommune ist, wie bedeutsam zum anderen auch die an Standards und transparenten Maßstäben nachgewiesene Expertise und Qualität von Schulen für die kommunalpolitischen Entscheidungsträger werden kann: Zertifizierte Wettbewerbsteilnahme - wie etwa am Deutschen Schulpreis und bei Demokratisch Handeln möglich - wird in einer kommunalen Bildungslandschaft umfassend wahrgenommen. Schulen sind heutzutage auch für die Kommunen und Städte qualitätsgenerierende Standortfaktoren, die zumal bei einem variantenreichen Angebot vor Ort miteinander in Konkurrenz, vor allem aber zueinander in einem sich ergänzenden Verhältnis stehen sollten.

Diesem  Anspruch stellt sich das Conrad-von-Soest-Gymnasium seit Jahren. Nicht nur die inzwischen bundesweit bekannten Arbeiten zu Ökologie und kommunalpolitischem Engagement der über 20 Jahre wirkenden Biologie-AG dokumentieren dies; vielmehr will die Schule Aspekte des Übergangs von der Primarstufe zum Gymnasium, der Unterrichtsentwicklung und der förderlichen Leistungsbeurteilung intensiv bearbeiten und weiterentwickeln. Das ConvoS versteht sich dabei als durchschnittliche Schule im besten Sinne. Nicht eine "Reform-" oder "Modellschule" wird angestrebt, sondern eine behutsame Modernisierung der Alltagspraxis von Lehrern und Lernen in der Schule insgesamt.

"Schulentwicklung, Unterrichtsqualität und Leistungsbeurteilung"

Silvia-Iris Beutel, Hochschullehrerin an der Technischen Universität Dortmund und im Regionalteam West des Deutschen Schulpreises ebenso wie in der Auswahljury des Förderprogramms Demokratisch Handeln engagiert, breitet in ihrem Einführungsvortrag ein breites Tableau gegenwärtiger praxisnaher Reformentwicklungen aus. Auch hier steht die Machbarkeit und die praktische Entwicklungsperspektive des Alltagshandelns in der Regelschule im Mittelpunkt.

Dabei konnten die angesprochenen Felder allesamt in der Perspektive der Beteiligung von Schülerinnen und Schülern an ihrem Lernen entfaltet werden. "Partizipation im Sinne dessen, dass das Lernen in die Verantwortung der Schülerinnen und Schüler gelegt wird", so Silvia-Iris Beutel, "ist eine besondere Chance für die Schulentwicklung". Dem Wechselspiel der beiden Themenschwerpunkte – Schulentwicklung und Demokratiepädagogik – der diese Veranstaltung tragenden Schulwettbewerbe kommt zentrale Bedeutung zu.

Denn Silvia-Iris Beutel gelang es einleuchtend, die sechs Qualitätskriterien, in denen der Deutsche Schulpreis die Exzellenz der Bewerberschulen beschreiben lässt und fachlich beurteilt, direkt mit Partizipationsaspekten zu verbinden: Partizipation, das heißt mitmachen, seine Interessen, Wünsche und Meinungen zur Geltung bringen. "Partizipation ist doch nicht nur ein formaler auf Verfahren und Entscheidungsprozesse zielender Begriff, sondern Ausdruck einer handlungsleitenden Haltung beim Lernen, die eine gute Schule fördern muss und zur Entwicklung ihrer Qualität intensiv nutzen kann", führt Beutel aus und gibt anschauliche Beispiele: "Partizipation heißt dann beispielsweise auch Ungerechtigkeit auszusprechen und Gerechtigkeit anzustreben".

Dass eine solche Entwicklungsperspektive an der Schule professionelle Voraussetzungen bei der Lehrerschaft benötigt, die über Fachwissenschaft und Fachdidaktik hinausreichen, wird beim Lernforum einerseits positiv rezipiert und bleibt andererseits bis heute der gordische Knoten, den eine demokratisch gehaltvolle Schulentwicklung im Einzelfall jeweils überwinden muss. "Dazu gehört auch," so Silvia-Iris Beutel abschließend, "dass in Sachen Zeugnis und Notengebung ein Wandel vom Beurteilungsmonopol der Lehrenden zur Beteiligung und Anerkennung der Schülerinnen und Schüler erfolgen muss".

Baustellenarbeit in fünf Workshops

Von der fachlichen Präsentation eigener schulischer Erfahrung, die sich in der Bewerbung zum "Deutschen Schulpreis" bilanzierend und reflektierend niederschlägt, über die "Dauerbaustelle Leistungsbeurteilung" im Spannungsfeld zwischen reformorientierter Grundschulpraxis sowie an Standards und valider Vergleichbarkeit orientierter Reformanstrengung bei den Gymnasien bis hin zu praktischen Übungen aktiver Kommunikation in Schule und Kollegium reicht das Angebot der fünf Arbeitsgruppen. Fragen der Projektdidaktik spielen eine Rolle, wenn Karlheinz Goetsch Konzept und Erfahrungen der Max-Brauer-Schule aus Hamburg vorstellt. Schließlich wurde der Übergang von Grundschule zum weiterführenden Schulwesen als Markierungspunkt qualitätsorientierter Schulentwicklung diskutiert. In allen Arbeitsgruppen wurde gute Praxis aus den beiden Schulwettbewerben von engagierten Lehrerinnen und Lehrern aus Schulpreis-Schulen und solchen des Netzwerks Demokratisch Handeln zur Diskussion gestellt: Nebst den bereits genannten waren dies die IGS Bonn-Beuel, die Gesamtschule Kaiserplatz Krefeld, das Gymnasium Schloß Neuhaus, die Grundschule Kleine Kielstraße Dortmund und die Wartburg-Grundschule Münster.

Die Information zur Teilnahme und Bewerbung bei den beiden Wettbewerben ging dabei nahezu unter der Hand und in informellen Gesprächen von statten. Es wurde sehr deutlich, dass die beste Werbung für diese Schulwettbewerbe darin besteht, gute Praxis vorzustellen und die Kernthemen der Schulentwicklung, die sie befördern möchten, kontrovers und alltagsnah darzustellen sowie dies anschaulich zu diskutieren.

Wettbewerbsteilnahme: Nicht anderen zeigen, wie gut man ist, sondern Selbstaufklärung betreiben

Das abschließende Podium hat nochmals sichtbar werden lassen, dass die Beteiligung an Schulwettbewerben kein Nebenschauplatz ist und in der Regel von guten Schulen intensiv, zugleich aber auch selektiv wahrgenommen wird. Gisela Gravelaar, Schulleiterin der Wartburg-Grundschule in Münster (des DSP-Hauptpreisträgers 2007) unterstreicht deutlich, dass die Entwicklungspotenziale und die Qualitätsaspekte eines Wettbewerbs die entscheidende Grundlage für eine Bewerbung abgeben: "Wir müssen niemandem zeigen, wie gut wir sind, aber wir müssen uns selbst mithilfe der Wettbewerbe vergewissern, wo wir uns in unserem Entwicklungsstand befinden. Dann ist die öffentliche Resonanz und Anerkennung weit wertvoller als jedes Preisgeld". Ulrich Dellbrügger wiederum unterstreicht, wie wichtig für sein Verständnis vom Wettbewerb der olympische Geist des fairen Vergleichs ist, weit wichtiger aber noch,"der Lerneffekt für meine Schülerinnen und Schüler, wenn sie von einer Lernstatt Demokratie voll Begeisterung, Anerkennung und neuer Kontakte zurückkehren".  Hilfreiche Wettbewerbe sind am Ende eben diejenigen, die "durch gute Beispiele und ihre fachliche Qualität auf sich aufmerksam machen", so Dellbrügger in einer Formulierung, die zugleich das gelungene Schlusswort zu einer gelungenen Tagung war.

(Wolfgang Beutel, Jena/Dortmund).

Update: 02.01.2011 (LR)

  

 
© Demokratisch Handeln | Impressum