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Was ist elementar für Schul- und Lernqualität?

Eine zunächst ganz anders scheinende Perspektive nimmt nachfolgend Manfred Prenzel ein, Direktor des IPN der Universität Kiel und gegenwärtig Koordinator des deutschen PISA-Konsortiums. Prenzel geht von den sechs Qualitätsbereichen der Schule aus, die der von ihm und Fauser gemeinsam moderierte Deutsche Schulpreis benennt. Doch hält er sich nicht lange an den qualitativen Bestimmungen der dort sichtbar werdenden Einzelfälle auf, sondern bezieht seine Überlegungen auf die Schulqualitätsfrage, wie sie auf der Ebene der internationalen Vergleichsstudien zur Schulleistung und damit in der praktischen Arbeit mit PISA diskutiert wird. Punktuell greift er Ergebnisse dieser mit empirischen Methoden arbeitenden Qualitätsstudie auf und belegt einen verblüffend nonchalanten Umgang unserer Schule mit der Lebenszeit der ihr anvertrauten Kinder und Jugendlichen: „Wir haben bei der jüngsten PISA-Studie in einem Längsschnitt zur Mathematik-Kompetenz im Wechseln von Klassenstufe 9 zu 10 so gut wie keine Lernzuwächse nachweisen können“, betont Prenzel und fragt danach, ob in diesem immerhin einen Schuljahr die Grundfunktion des Unterrichts, „zielbezogen Lernen wahrscheinlich zu machen“, überhaupt als erfüllt angesehen werden könne.  Die Schule in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit führe dazu, „dass Schülerinnen und Schüler zwar viel lernen, aber am Ende wenig davon übrig bleibt“. Aus dieser erschreckenden, gleichwohl nicht überraschenden Mängeldiagnose leitet Prenzel ab, „dass es für die Schul- und Unterrichtsqualität elementar ist, ausreichend Zeit und intelligente Lernarrangements zur Verfügung zu stellen“.

Verblüffend sind an Manfred Prenzels Ausführungen zwei Beobachtungen. Die erste liegt darin, dass die Konsequenzen aus PISA in dieselbe Richtung zeigen wie die Folgerungen, die qualitativ orientierte Einzelschulforschung und wissenschaftliche Begleitung von Reformmodellen aus ihrer Arbeit ziehen: „Wir müssen die Schulkultur stärken als gemeinsamen Hintergrund professionellen pädagogischen Handelns und effektiven lernförderlichen Unterrichts“. Daraus lassen sich auch einzelne Hinweise für Teilbereiche professionellen Unterrichtshandelns entwickeln. Zum zweiten müssen „die Diagnoseinstrumente der Schule differenziert werden, denn Individualdiagnose und Systemdiagnose sind verschiedene Dinge: Wenn in der Schule die Vergleichsarbeiten – die ja einen Effekt auf Systemebene beschreiben sollen – zur Individualdiagnose des Schülerlernens im Einzelfall herangezogen werden, unterliegen Schulen, in denen das läuft, einem schwerwiegenden Fehler“, so Prenzel. Die Botschaft ist sichtbar, die Befürchtung, dass es in weiten Bereichen des Schulwesens genau so läuft, wie es infolgedessen nicht laufen sollte, ist aber nicht auszuräumen. Manfred Prenzel geht noch weiter und erinnert daran, „dass professionelles schulisches Handeln im Unterricht zwischen Lernen und Leistungsdiagnose unterscheiden muss“. Bemerkenswert bleibt, dass der PISA-Koordinator ein Plädoyer für pädagogische Professionalität im Lehrerhandeln als Voraussetzung für elementare Qualität von Schule im Einzelfall und auf Systemebene beschreibt, „und das kostet Geld, mehr Geld, als die Entwicklung weiterer Testreihen, wie sie die Politik fordert“, so sein skeptischer Ausblick, „denn nur dann können wir Schul- und Unterrichtsqualität so verbessern, dass wir den bisherigen liederlichen Umgang mit der Lebenszeit der Schülerinnen und Schüler verändern. Für Schul- und Unterrichtsqualität ist das aber elementar“, bündelt Manfred Prenzel seine tour d‘horizon durch den gegenwärtigen Stand der politisch motivierten empirischen Bildungsforschung.

 
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