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Friedrich-Schiller-Universität Jena hat die Verleihung der Ehrendoktorwürde an Dr. Hildegard Hamm-Brücher beschlossen

Die Gründungsvorsitzende der Theodor-Heuss-Stiftung, Dr. Hildegard Hamm-Brücher, erhielt am 15. Juni mit einem akademischen Festakt die Ehrendoktorwürde der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften an der Jenaer Friedrich-Schiller-Universität. Anlass sind ihre Verdienste für die Bildungspolitik und die Entwicklung einer demokratischen Schule in Deutschland. Hildegard Hamm-Brücher habe sich "... weit über jede Parteiengrenze hinaus für Demokratie und Bildung eingesetzt und immer wieder zwischen Politik, Wissenschaft und Bildungspraxis vermittelt", so die Begründung der Universität. Ein bedeutsames Element dabei ist Hamm-Brüchers Engagement für des Förderprogramm "Demokratisch Handeln", das seit 1992 seinen Sitz am Lehrstuhl für Schulpädagogik und Schulentwicklung von Prof. Dr. Peter Fauser in Jena hat. Dieses bundesweite Förderprogramm - zudem in der Trägerschaft von Heuss-Stiftung und Akademie für Bildungsreform und gefördert aus Wettbewerbsmitteln des Bundesbildungsministeriums sowie von Landesministerien und Stiftungen - ist seit 15 Jahren bei der Verbreitung demokratischer Impulse in die gesellschaftliche Praxis wie bei deren wissenschaftlicher Aufarbeitung erfolgreich. In der Bildungspolitik habe Hamm-Brücher bereits 30 Jahre vor PISA internationale Bildungsvergleiche angeregt und wesentliche Fragen von Erziehung und Bildung ihrer Zeit thematisiert. "Viele Vorschläge, die sie bereits in den 70er und 80er Jahren gemacht hat, sind noch heute modern und richtungsweisend", schreibt die Universität Jena weiter. Außerdem stehe neben dieser fachlichen Qualifikation dauerhaftes bürgerschaftliches Engagement sowie die menschliche Größe, über die Politik hinaus beispielgebend durch Geradlinigkeit und Wahrhaftigkeit gewirkt zu haben und bis heute vorbildlich zu wirken.

Der Festakt fand in der Saalestadt große öffentliche Beachtung: Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus würdigte in seinem Grußwort Hamm-Brüchers Engagement für die deutsche Einheit. Sein Vorgänger Bernhard Vogel zeigte seine respektvollen Verneigung vor der "großen Demokratin" mit einer anspielungsreichen Laudatio, die mit dem maßvollen Auge der Zeitgenossenschaft für die politische Entwicklung des demokratischen Deutschland die demokratischen Bindungen zwischen konservativer und liberaler Politik sichtbar werden ließ. Vogel hielt nicht mit den Kontroversen der großen Zeit der Bildungsreformen hinterm Berg: Hildegard Hamm-Brücher als Verfechterin einer offensiven Gesamtschulpolitik, er als seinerzeitiger Kultusminister in Rheinland-Pfalz hingegen Bewahrer einer konservativ geprägten gymnasialen Schulkultur. Doch betonte Bernhard Vogel mit dem Gestaltungswillen und der geschichtlichen Verantwortung für die Demokratie in Deutschland die Gemeinsamkeit ihres Handelns im jeweiligen politischen Lager: Dass sich beide schon lange Jahre als Bürger Münchens kennen, unterstreicht diesen wechselseitigen Respekt.

In ihrer Festansprache setzte sich Hildegard Hamm-Brücher mit der die deutsche Demokratie bis heute prägenden Wechselwirkung der Unfreiheit des vorausgehenden Nazistaates und der neu gewonnenen, ja "geschenkten" bundesdeutschen Demokratie auseinander: "Haben wir aus der Geschichte gelernt?" lautet ihre provozierende Fragestellung, auf die sie mit einer Tour d'horizon zur jüngeren Geschichte unseres Gemeinwesens zu antworten suchte.

Dass Politik nicht alleine funktionale Antwort auf die Herausforderungen des Tages ist, wurde einmal mehr deutlich. Die tiefe Verankerung der Verantwortung für die bundesdeutsche Demokratie in der Erfahrung von Unfreiheit und NS-Terror bleibt das Motiv für politische Handeln und Leben von Hildegard Hamm-Brücher, die entsprechend positiv-skeptisch auf die von ihr aufgeworfene Frage zu antworten wusste: "Ja, wir haben aus der Geschichte gelernt, aber wir haben nicht ausgelernt", so ihre Summa. Gerade in Blick auf das Wiederaufleben einer neuen Rechten und im Angesicht des Verschwindens der unmittelbaren Zeitzeugenschaft zum menschenverachtenden NS-Regime und dem von ihm entfachten Weltkrieg liegt aus ihrer Sicht eine ganz neue Herausforderung im Umgang mit unserer politischen Kultur: Demokratiepolitik und Demokratiepädagogik sind Aufgaben dringlicher denn je, so die Folgerung der frischgebackenen Ehrendoktorin.

Dabei sollte es nicht bleiben und Hamm-Brücher wollte den Worten entsprechende Taten folgen lassen. Gemeinsam mit Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, der eigens zu diesem Festakt angereist war und mit Ministerpräsident Dieter Althaus stellte sie sich in einer öffentlichen Diskussion Warum eigentlich Demokratie?" den Fragen von Schülerinnen und Schülern, die damit zugleich die 15. Lernstatt Demokratie 2005 des Förderprogramms "Demokratisch Handeln" in Jena eröffneten. (Wolfgang Beutel, Jena, Juli 2005)



Bilder

Verleihung der Ehrendoktorwürde an Hildegard Hamm-Brücher - Bild 01

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