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Gefordert ist ein Ende des unproduktiven Gegeneinanders

Das betont auch der Berliner Schul-Staatssekretär Thomas Härtel, wenn er ein "Ende des unproduktiven Gegeneinanders" zwischen Fachdidaktik der politischen Bildung und demokratiepädagogisch orientierter Schulpraxis fordert. Es gehe ihm nicht um eine "abgehobene Debatte", sondern darum, das Demokratieverständnis zu prägen - "im Politikunterricht und in der ganzen Schule". Während die letzten Gäste eintreffen und der Saal immer voller wird, fasst er den Wunsch aller zusammen: "Wir brauchen beides: guten Fachunterricht und tolerantes, respektvolles Verhalten im Schulalltag." Keiner und keine, die ihm in diesem Punkt widerspräche. Aber wie erreicht man dessen Umsetzung?

Prof. Dr. Gerhard Himmelmann von der Universität Braunschweig skizziert die Problemlage: "Wenn Sie Politik lehren wollen, müssen Sie wissen, worauf Sie "hin" lehren, was also die praktischen Ziele in Schule sind!" Doch die Forderungen an den Politikunterricht sind einerseits vielfältig und andererseits nahezu in allen Bundesländern am Ziel der "Erziehung zur Demokratie" orientiert. Die Berliner Rahmenrichtlinien etwa fordern das genauso wie di Lehrpläne in Thüringern oder bspw. in Baden-Württemberg. Himmelmann fragt: "Was ist Demokratie?" und spricht mit John Dewey: "Demokratie ist nicht nur eine Regierungsform, sondern vor allem eine spezielle Form des Zusammenlebens"; John Dewey spricht dabei von "gemeinsam geteilten Erfahrungen" und betont so die lebenspraktische und handlungsnahe Dimension einer demokratischen Kultur und Erziehung. Ziel sei es, die Schülerinnen und Schüler zu "Zivilität, Fairness und Toleranz" zu erziehen. Angesichts der sozialen Probleme, die immer häufiger das Umfeld der Schülerschaft heute prägen, müsse Demokratieerziehung auch eine "konkrete Orientierungshilfe in der kleinen und der großen Welt" bieten. Schließlich fasst Himmelmann mit Nachdruck zusammen: "Es ist eine große Angelegenheit."

Dem stimmt auch Kerstin Pohl zu, die zweite Expertin, deren Aufgabe vor allem darin lag, mit kritischem Blick auf Konzepte und Begründung von Demokratiepädagogik zu sehen. Ihre Rolle ist sicherlich nicht leicht, denn - so fast entschuldigend ihr Eingangsstatement - sie würde am liebsten ihre Redezeit damit verbringen, die anwesenden Lehrerinnen und Lehrer für ihr Engagement zu loben: "Das ist aber als "advocatus diaboli" zunächst nicht mein Job!" So konstatiert sie zunächst die aktuellen Probleme in der Schule: rechte Gewalt, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft und nicht zuletzt auch Politikverdrossenheit. Die Antworten darauf? "Genau die Projekte, die Sie initiiert haben", lobt Pohl doch wieder und fährt fort: Die Schülerprojekte seien ein sehr wichtiger Beitrag für die Persönlichkeitsentwicklung und das soziale Lernen, aber - und hier beginnen ihre kritischen Einwände - politische Kompetenzen würden dabei nicht automatisch mit gelernt, sie müssten vielmehr eigens vermittelt werden. Außerdem garantierten soziale Kompetenzen keinesfalls politische Urteils- und Handelsfähigkeit. Pohl wünscht sich deswegen einen "Wirklichkeitsunterricht", der Einblick in die politischen Prozesse und Institutionen ermöglichen könne. Gleichzeitig müssten falsche Demokratieauffassungen korrigiert werden, die, weil sie sich nicht bewahrheiteten und zu Enttäuschungen führten, Politikverdrossenheit verursachten. So äußert sie etwa ihren Schrecken über den Irrglauben vieler Schülerinnen und Schüler, die Mehrheit habe immer Recht oder auch, dass Gerechtigkeit mit dem Rechtsstaat gleichzusetzen sei. Keiner unter den anwesenden Pädagoginnen und Pädagogen, der hier widerspricht; haben denn je wirklich Lehrende, die demokratiepädagogisch akzentuierte Projekte verantworten, einer so einfachen Alltagsideologie von "Demokratie" das Wort geredet?

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