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AG 4
Grundkurs Rethorik

Eine Reportage aus Workshop 4 von Ulrike Conow (Berlin)

"Zuhören können ist ein wichtiger Teil der Lebenskunst, denn das Glück klopft manchmal nur leise an die Tür!"

Schlägt man im Wörterbuch das Stichwort "Rhetorik" nach, findet man als Übersetzung den Begriff der "Redekunst". Im Workshop "Grundkurs Rhetorik" sollte der Begriff erweitert werden, denn nicht nur das Reden, sondern auch das Zuhören ist für Kommunikation von immenser Bedeutung. Das Ziel guter Kommunikation ist demzufolge, die Zufriedenheit beider Gesprächspartner - des Redners und des Zuhörers - zu erreichen. Stephan Oszvath hat uns das mit Beispielübungen sehr gut nahe gebracht. Es war ein gutes Arbeitsklima, das Thema wurde sehr nah am Publikum angeboten - sehr gut, spannend und witzig insgesamt. Begleitet wurde der Moderator von Ulrike Kühn. Sie ist Soziologin und unterrichtet Menschen in chinesischer Philosophie und Bewegungskünsten. Im Workshop gab es 15 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sich herausstellte eine sehr angenehme Anzahl zur Durchführung der Übungen.

Zu Beginn erfolgte die persönliche Vorstellung und die Konkretisierung des persönlichen Interesses an diesem Workshop. Vieles wurde angesprochen: Paul möchte lernen frei reden zu können; Habib wird oft missverstanden, weshalb er es einmal schaffen möchte sich besser auszudrücken; Daniel möchte gut argumentieren können, ohne dass ihm die Worte fehlen, denn er hat Spaß daran, Referate zu halten.

Karl kann sich schriftlich besser ausdrücken, zu den spontanen Gedanken auch noch was sagen, das würde er gern können; Vivien war der Kursleiter in der Vorstellungsrunde der Workshops am sympathischsten, und dass er beim Radio "Multikulti" ist, fand sie spannend; Mareika ist es wichtig nicht nur zu betrachten was man sagt, sondern wie man es sagt; Floh spielt Theater, da kann man Sprache und Ausdruck gut gebrauchen und auch für Bewerbungsgespräche ist Kommunikation wichtig.

Lina hält gern Reden und spielt Theater; Inga hat der Workshop einfach interessiert; Carmen diskutiert gern und wüsste gern wie man Leute von einer Meinung überzeugt; Matthias möchte gern wissen was Rhetorik eigentlich bedeutet; Leonard möchte Vorträge anschaulich und intelligent rüberbringen können; Marie meint, solch ein Kurs könne nicht schaden und ich selbst interessiere mich sehr für Kommunikation.

Viele verschiedene Gründe führten also viele verschiedene Menschen in diesen Workshop. Viele Meinungen und gute Mitarbeit konnten erwartet werden - es geht um ein Kernelement des Umgangs mit den Angelegenheiten aller in der Demokratie!

Die erste Übung - Der Filmausschnitt

Es wurde uns ein kurzer Filmausschnitt aus "Der Kandidat" von 1998 gezeigt. Gerhard Schröder soll ein Interview geben!. Die Journalistin erinnert Schröder eine Stunde vor dem Termin an das Interview. Leider versagt dann ihre Technik; sie kümmert sich nicht um Herrn Schröder, sondern nur um Technik und Techniker. Unsere Aufgabe bestand darin die Gefühle, die wir mit Schröder und mit der Journalistin verbinden zu benennen und die Gesamtsituation einzuschätzen. Hier das Ergebnis, unsere Einschätzung:

Die ganze Szene wirkte unprofessionell von Seiten der Journalistin. Sie vermittelte das Gefühl, kein Vertrauen zu haben (Erinnerung an den Termin), wirkte nervös und drehte Herrn Schröder den Rücken zu. Schröder war gelangweilt, fühlte sich vernachlässigt und in seiner Freiheit eingeengt. Er war der einzige, der saß, alle anderen standen um ihn herum - seine eingeengte Körperhaltung ließ auf ein geringes Freiheitsgefühl schließen.

Dieses nun probierten wir selbst aus: Eine unbequeme Haltung einnehmen, ganz zusammengekauert - und dann an Freiheit denken. Wir haben viel über den Ausschnitt sagen können und Stephan fasste das ganze zusammen - unter dem Fachbegriff "Rapport": Rapport bedeutet so viel wie: spiegeln, sich angleichen. Das heißt, Zuhörer und Sprecher gleichen sich unbewusst einander an, was besonders bei Pärchen oder Gruppen zu beobachten ist. Der Rapport vollzieht sich auf den Bereichen Körperhaltung, Gestik / Mimik, Sprache / Wortschatz und Themen / Werte. Durch eine Angleichung und durch Zugewandtheit (der Körperhaltung) zeigt sich das Interesse am Gegenüber. Im Rückschluss auf den Filmausschnitt kann man sagen, dass die Journalistin den Rapport vernachlässigt bzw. nicht beherrscht hat - deshalb war die Situation so unprofessionell.

Die zweite Übung - Zuhören und Erzählen

In dieser Übung wurden Dreiergruppen gebildet, jeweils einer aus der Gruppe ging vor den Raum, die anderen beiden blieben im Raum. Stephan gab drinnen und draußen Regieanweisungen. Die Gruppe draußen hatte die Aufgabe, den anderen beiden vom letzten Urlaub zu erzählen oder aber von einem Urlaub, den sie gern machen würden. Die beiden Partner drinnen mussten sich noch mal aufteilen - einer sollte zuhören, anlächeln, der andere bewusst weghören.

Was dabei herauskam? Nicht alle schafften die Aufteilung der Gruppe. Ergo: bewusstes Zuhören und Weghören ist gar nicht so leicht. Die Personen, die lächelten bekamen aber dennoch mehr erzählt als die, die wegsahen und nicht zuhören sollten.

Die dritte Übung - Eine Geschichte schrumpft

Alle bis auf einen Teilnehmer und Stephan verlassen den Raum. Stephan verliest eine Geschichte. Nacheinander werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Raum gebeten - der erste, der die vollständige Geschichte von Stephan gehört hat, erzählt sie dem nächsten. Dieser erzählt sie dem dritten und so fort.

Es ist ziemlich viel verloren gegangen während der Erzählungen. Aktives Zuhören, sich möglichst viel merken und detailgetreu wiedergeben, ist uns wirklich schwer gefallen. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb war diese Übung für uns Teilnehmer sehr erheiternd.

Teilweise haben die Zuhörer nachgefragt, ein Teilnehmer erzählte seine Informationen zwei mal - beides sehr gute Kommunikationsmuster. Will man Zuhören üben, kann man eine Minute lang jemandem zuhören und dann wiederholen was man behalten hat.

Die vierte Übung - Die Überredungskunst

In der letzten Übung wurde unsere Gruppe halbiert. Die eine Hälfte der Gruppe sollte sich vorstellen, gerne spazieren zu gehen Die andere Hälfte weiß von der Vorliebe des Spazierengehens und soll statt zum Spaziergang zum Besuch der Robert Kappa-Austellung überreden.

Alle schafften es, ihren Gegenüber für die Ausstellung zu gewinnen. Dazu wurden verschiedene Wege genutzt. Einige "Überreder" versprachen alles, was der andere hören wollte. Andere schlossen echte Kompromisse mit nur einer Gegenbedingung und wieder andere überhörten die Argumente des "Spaziergängers", bis dieser keine Argumente mehr fand: "Ich fühlte mich wie beim Vertreter - nur positive Argumente, irgendwann ist mir nichts mehr dagegen eingefallen."

Stephan schilderte uns noch die Wichtigkeit der Herangehensweise an das Problem: Es ist wahrscheinlicher, dass wir ein Problem (hier das Überreden) lösen oder bewältigen können, wenn wir uns sagen "Ich schaffe das!" anstatt zu sagen "Das schaffe ich nicht.".

Der Workshop bot uns eine gehaltvolle Auseinandersetzung mit einer Kernkompetenz von "Demokratie lernen und demokratisch Handeln": Durch gute Kommunikation - aktives Reden und aktives Zuhören - können Meinungsverschiedenheiten manchmal schnell beseitigt werden. Demokratie steht für Abstimmung, Mehrheit, aber auch für Kompromisse - und ohne gute Kommunikation, ohne Austausch darüber, was jeder und jede jeweils möchte, gäbe es auch kein Ziel, keine Verständigung. Dieser Workshop hat uns einige wichtige Kommunikationsmuster und Kommunikationsstrategien aufgezeigt, die wir in Zukunft versuchen können anzuwenden.

 
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