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Schülerinnen und Schüler übernehmen Verantwortung

SALF-Tagung zum demokratischen Engagement unter dem Eindruck der Landtagswahl

In nunmehr langjähriger Tradition haben sich zum siebten Mal Kolleginnen und Kollegen vorwiegend aus sächsischen Schulen im Rahmen einer Kooperationstagung der SALF Meißen getroffen - in Niederbobritzsch nahe des sächsischen Bergbaustädtchens Freiberg. Mehrere Besonderheiten zeichnen die Tagung aus: Erstens sind auch Kolleginnen und Kollegen aus Bremen und Bremerhaven angereist und unterstreichen damit die länderübergreifende Arbeit des die Veranstaltung inhaltlich verantwortenden Förderprogramms Demokratisch Handeln. Zweitens sind von dort gleich zwei (fast noch) Schülerinnen mitgekommen und betonen damit, dass sich die reflexive Vergegenwärtigung von Lernleistungen in den Projekten demokratischen Handelns gerade durch die direkte Sichtweise von Lernenden erheblich intensivieren lässt. Drittens sind Gäste aus Polen, Litauen und der Türkei dabei - immerhin sechs Lehrkräfte aus dem sich erweiternden Europa - und suchen nach Anregung, Kontakt, aber auch Interesse an ihren Erfahrungen mit einem veränderten Lernen in der Schule. Dass dazu auch Differenzen gehören, insbesondere wenn es um Projekte zu Demokratie und Politik geht, liegt auf der Hand.

Gerade junge Menschen folgen dem Populismus

Überschattet wurde die Arbeit und das Engagement der Schulen durch die Ergebnisse der Wahl zum Sächsischen Landtag vom vorhergehenden Sonntag. Dass die rechtsradikalen populistischen Kräfte mit über 9 % Wählerstimmen für die NPD gerade in Sachsen einen solchen Zuspruch erfahren konnten, wird von den Lehrerinnen und Lehrern mit kritischen Stimmen, aber auch Enttäuschung zur Kenntnis genommen. Erneut zeigt sich, wie schwierig es ist, kritische Loyalität und demokratisch Handlungskompetenz in der Schule zu vermitteln. Angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage fallen viele junge Wähler, darunter eben auch Erstwähler und damit auch Schülerinnen und Schüler der Oberstufen, auf die so indifferent allgemeinen Frustrationsstimmung herein: "Es gibt viele Schüler, die sind rechtslastig", so wird aus einem Projekt zur "Juniorwahl" berichtet. Dort hätten bei diesem über eine Berliner Projekt strukturierten und geförderten Verfahren in ihren Klasse jetzt parallel zur Landtagswahl über 30% der Schülerinnen und Schüler für die NPD votiert: "Es sind diejenigen, die wie viele in der Bevölkerung nur meckern wollen, darauf stehen bleiben und keine Verantwortung übernehmen" bündelt der Kollege seine Enttäuschung.

Salf-Tagung 2004 - Bild 1

Verantwortung übernehmen können -Beispiele für eine Schule der Demokratie

Vor diesem Hintergrund wurden im ersten Arbeitsschritt Ziele der Fortbildung thematisiert und der Wettbewerb "Förderprogramm Demokratisch Handeln" vorgestellt, insbesondere in Blick auf seine Service-Angebote und Hilfen zur Projektentwicklung und -beratung. Nach der Mittagspause ging es dann um herausragende Beispiele: Das Projekt "Kinderarbeit in Trichy" des Bremer SZ an der Julius-Brecht-Allee und das Projekt "Stadtteiloffene Schulbücherei" der Oberstufe am SZ der Geschwister-Scholl-Schule in Bremerhaven boten beste Anknüpfungspunkte für eine politische Bildung, die die Erfahrung demokratischer Verhältnisse mit dem Erwerb eines auf Handlung und Engagement gerichteten situierten Wissens verbinden können. Nimmt das erste Projekt insbesondere die negativ Dynamik und Auswirkung der Globalisierung auf und fragt nach den Folgen des Nord-Süd-Gefälles, insbesondere der Ausbeutung von Kindern durch Kinderarbeit, so wendet sich das andere einer Grundfrage der demokratischen Öffentlichkeit zu: eine kommunalpolitisch abgesicherte Grundversorgung mit Literatur, Zeitungen und Medien. Lesen zu können benötigt der guten Gelegenheit und der Anerkennung von Bibliotheken durch die Politik. Die Oberstufe des SZ Geschwister Scholl hat, so folgerte Wolfgang Beutel, Geschäftsführer des Förderprogramms Demokratisch Handeln in Blick auf dieses Bremerhavener Projekt, am Rande eines "sozialen Brennpunktes" eine problematische Entscheidung des Stadtrates aufgegriffen und schließlich verändern können. Es gelang insbesondere den Schülerinnen und Schülern durch ihre zielstrebigen und gut begründeten und geplanten Aktionen, ein kommunales Bildungsangebot zu erhalten und noch stärker als zuvor mit der Schule zu verknüpfen. Dass der dabei praktizierter Protest auf originelle, kreative und dem Thema "Lesen und Bildung" verwandte Art und Weise - bspw. durch eine demonstrative "Massenausleihe" - ein Grundrecht der Demokratie aufgenommen und sinnvoll in Tat gesetzt hat, sei ein weiterer wichtiger Gesichtspunkt, der belege, dass es in dieser Form der Projektpädagogik nicht nur um "soziales Lernen" gehe (wie dies die Politikdidaktik sieht), sondern um eine handlungsprägende Form der Anwendung eines Wissens, das hier nicht nur "Buchwissen" bleibe. Wolfgang Wildfeuer, Regionalberater des Landes Sachsen, betonte gerade an der witzigen Form der Präsentation, die von der Bremerhavener Gruppe aufgezeigt worden ist - sie deuteten in ihren Dokumentationstafeln den Ablauf des Projekts als Drama, das die klassische fünfstufige Form dieser Literaturgattung widerspiegelt -, das Potenzial an Beratungs- und Begleitungsmöglichkeiten, das insbesondere in den Schulen der Länder aufgegriffen werden sollte, in denen das Förderprogramm Demokratisch Handeln solche Beratung bieten könnte.

An Projekten arbeiten - Erfahrungen austauschen, um die Schulpraxis weiter entwickeln zu können

In einer zweiten Runde am Nachmittag wurden von den Kollegen Projekte, die weitergeführt werden sollten und Projektideen zur Diskussion gestellt: Die Solidaritätsleistungen und die tätige Hilfe von Schülerinnen und Schülern der Mittelschule Waldheim nach der Flutkatastrophe im Sommer 2002, das Projekt eines "Märchenbuchs" und die Diskussion um den Bürgerentscheid zum "Schulnamensstreit" gehören dazu, aber auch das Projekt "Fair-Handeln", in dem die Arbeit mit behinderten im Mittelpunkt steht. In drei Arbeitsgruppen wird am nachfolgenden Dienstag intensiv versucht werden, vorliegende Erfahrungen mit neuen Perspektiven zu verknüpfen und zugleich das eigene Handeln als Lehrerin und Lehrer an der Schule aus kritischer Distanz zu vergegenwärtigen - hier erscheint Lehrerfortbildung als zielbezogene und kontextgenaue Anstrengung, die unmittelbare Ergebnisse beispielsweise in Form neuer Projektbewerbungen und auch für die Schulen nutzbarerer Dokumentationsbemühungen verspricht. (21.09.2004, W. Beutel)

 
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