"Demokratie"

Das Programm rückt "Demokratie" ins Zentrum, nicht Politik, obwohl dies vom Schulfach und seiner Didaktik her näher liegen könnte. Das trifft sich mit Überlegungen, die Himmelmann (2001, S.10ff.) entwickelt hat:

  • 1. Auch wenn man den Begriff "Politik", englischer Tradition folgend, als Form (polity), Prozess (politics) und Inhalt (policy) ausfaltet, geht es vor allem um das politische System als Herrschafts- und Regierungsform. "Demokratie" dagegen richtet sich auf den Zusammenhang von Formen und Normen des gesamten gesellschaftlichen Lebens. Demokratie kann mit Himmelmann zutreffend als Lebensform, als Gesellschaftsform und als Herrschaftsform wahrgenommen werden und bezeichnet eine Gestaltungsnorm von grundlegender und umfassender Bedeutung.
  • 2. "Politik" ist zeit- und gesellschaftsgebunden und bietet schon begrifflich ein Einfallstor für parteilich geleitete Einflussnahme auf Schule und Unterricht. Diese defensive Lage bleibt, auch wenn der "Beutelsbacher Konsens" 1977 eine unmissverständliche didaktische Abwehrposition postuliert hat. Mit "Demokratie" als Gestaltungsnorm für beides, für Pädagogik und Politik, wird deren Verhältnis anders justiert: "Demokratie" ist in der Moderne mit dem Anspruch auf universelle Anerkennung der Menschenrechte und legitimer staatlicher Herrschaft verbunden und steht als normativer Entwicklungsbegriff von vornherein und offensiv in kontrafaktischer Spannung zur herrschenden Politik.
  • 3. Wichtiger Auslöser für das Programm war die Zunahme von Gewaltbereitschaft, Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus. Einschlägige Analysen zeigen, wie hier langfristige generelle Modernisierungsfolgen und gegenwärtige Bedingungen zusammenwirken und wie dies " kohorten- und gruppenspezifisch - zu teils aggressiver Abgrenzung von der Politik und den etablierten Parteien führt. Ergebnisse der Jugendforschung lassen befürchten, dass das Interesse an der Politik auch in breiten Kreisen der Jugend immer geringer wird.

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