Direkt zum Inhalt springen

Sie befinden sich: Startseite » Lernstatt » 2008 »

"Es wird eng und lebendig"

Lernstatt Demokratie 2008 eröffnet

Nach und nach trafen Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer in der Friedensschule ein. Am Tagungsbüro bekamen die Teilnehmer ihre Mappen mit Informationen und Material zum Programm und den ausgestellten Projekten. Bald machte sich jede Gruppe daran, die Präsentation ihres jeweiligen Projekts in der Ausstellung zu perfektionieren. Während die Vorbereitungen noch voll im Gange waren, begannen die 20 Schülerinnen und Schüler der Big Band der Friedensschule gegen 15 Uhr mit einer Reihe von Swing- und Jazz-Nummern die Lernstatt Demokratie einzustimmen: Miteinander soll es gehen, Regeln angewendet werden, Freiheit und Improvisation sollen eine Rolle spielen und am Ende soll das Ganze auch noch Spaß machen, so könnte man die musikalische Botschaft demokratiepädagogisch interpretieren. Kurz vor 16 Uhr eröffneten schließlich Josephine Ridder, 17-jährige Schülerin aus Münster, sowie Leonie Kusch, 20-jährige Studentin aus Hamburg, die Veranstaltung.

Als ersten Gast begrüßte Moderatorin Josephine Ridder Klaus Herold, Schulleiter der Friedensschule Münster, auf der Bühne. Josephines Frage, ob die Friedensschule ein besonderes Rezept für Frieden habe, verneinte Herold. Der Schulleiter betonte stattdessen, dass Frieden eine zähe, lebenslange und immer wieder von jedem zu leistende Aufgabe sei. „Sich um Frieden zu bemühen heißt auch, die Konflikte nicht unter den Teppich zu kehren, sondern sie anzugehen und zu lösen. Denn schließlich bedeutet Frieden, aufeinander aufzupassen, einander zu helfen und zu teilen“, so Klaus Herold. Auf die Frage zur Rolle der Demokratie in der Friedensschule antwortete er, dass Demokratie wie Frieden eine Aufgabe sei, der sich jede Schule stellen müsse. „Auch wenn es schwierig ist, sollten Lehrer und Schüler trotz aller Vorgaben stets versuchen, gemeinsame Ziele zu finden“.

Leonie Kusch begrüßte als zweiten Gast Wolfgang Beutel, Geschäftsführer des Förderprogramms Demokratisch Handeln, auf dem Podium. „Was ist das Besondere an der Lernstatt Demokratie?“, fragte Leonie. Wolfgang Beutel umschrieb daraufhin die Lernstatt als einen Höhepunkt eines fast einjährigen Vorbereitungsprozesses. Dem Organisationsteam gebühre großer Dank, mit der „Lernstatt Demokratie“ eine pädagogische Umgebung aufzubauen, um in Austausch zu kommen, Impulse zu geben und Ideen für eine demokratische Schule mitnehmen zu können. Moderatorin Leonie verwies darauf, dass die „Lernstatt Demokratie“ nun schon das achtzehnte Mal stattfinde und somit volljährig sei, „weshalb sich auch die Frage nach der zukünftigen Entwicklung im Erwachsenenalter stellt“. Hierzu meinte Beutel, Demokratie sei „eine nie endende Aufgabe“. Entsprechend bemühe er sich Partner zu finden, die das Förderprogramm Demokratisch Handeln und die „Lernstatt Demokratie“ auch finanziell verlässlich unterstützten. Die Erfahrung habe allerdings gezeigt, dass dies eine stete Herausforderung sei. Es sei leider üblich, dass für Programme und Projekte Gelder meist nur dann fließen, wenn auf aktuelle Probleme in der Gesellschaft reagiert werden solle. Demgegenüber sei eine stabile Unterstützung wünschenswert.

Demokratiepädagogik, Akademie für Bildungsreform und Wissenschaft

Der dritte Gesprächspartner auf der Bühne ist Peter Fauser, Pädagogikprofessor an der Universität Jena, wissenschaftlicher Leiter des Förderprogramms Demokratisch Handeln sowie Vorsitzender der Akademie für Bildungsreform. Auf die Frage von Moderatorin Josephine, was es mit dieser Akademie auf sich habe, antwortete Fauser, dass die Akademie 1980 als gemeinnütziger Verein von Pädagogen und Wissenschaftlern gegründet wurde, um sich der Bildungsreform als Daueraufgabe zu widmen. Wie Demokratie verlange Bildungsreform täglich, dass auch eine lebendige Bürgerschaft aufstehe und für sie eintrete. Die Projekte bei der „Lernstatt Demokratie“ würden dabei zeigen, welche Themen aktuell seien und welche Fragen wirklich wichtig sind. Dies verdeutliche, dass Demokratie nicht nur sei, was „die politischen Eliten machen, sondern auch das, was wir tun “, so Peter Fauser

Die Talk-Show-Runde wurde immer größer: Vierter Gast auf dem Podium war Antoinette Cherbuliez, Geschäftsführerin der Theodor-Heuss-Stiftung. Bei Leonies Frage, welche Bedeutung die „Lernstatt Demokratie“ und das Förderprogramm Demokratisch Handeln für die Stiftung habe, erinnerte Cherbuliez daran, dass die Gründerin der Theodor-Heuss-Stiftung, Hildegard Hamm-Brücher, das Programm Demokratisch Handeln von Anbeginn mit großem Augenmerk begleitet habe. Cherbuliez betonte, dass Demokratie so früh wie möglich gelebt und gelernt werden solle. Die Schule solle entsprechend ein Ort sein, um mitwirken zu können. Die Frage nach dem „Vorbild Theodor Heuss“ bejahte Cherbuliez: Heuss sei als Schüler ein Allroundgenie gewesen, der sich couragiert für seine Mitschüler einsetzte, sich vielseitig interessierte und künstlerisch aktiv war. Heuss als Vorbild zu folgen, bedeute Freiheit, Kopf und Herz zu nutzen, um Grenzen zu überwinden und zu schauen, was andere tun.

Moderatorin Josephine stellte heraus, dass das Publikum, speziell die anwesenden Kinder und Jugendlichen, ein Beispiel geben, dass Jugendliche ganz und gar nicht politikverdrossen seien. Stellvertretend für dieses Jugendengagement bat sie Sanela Stajic auf die Bühne. Sanela vom Allee-Gymnasium Hamburg war an einem Projekt beteiligt, das einen Friedensplan zur Lösung des Nahostkonflikts ausarbeitete. Die Schülerin bedankte sich bei den Anwesenden dafür, dass sich so Viele für Demokratie einsetzen. Demokratisches Handeln bedeute, so Sanela, das Thema einer Minderheit zu einem Thema der Mehrheit zu machen. „Wenn alle so denken, wie wir hier, dann wäre die Welt eine bessere“, betonte sie.

Schulverwaltung und Kultusministerien unterstützen

Schließlich kam in der Person von Gernod Röken, dem für den Bereich Politische Bildung verantwortlichen Fachbeamten in der Bezirksregierung Münster, auch die Schulverwaltung zum Wort. Auf die spitzfindige Frage Leonies, ob angesichts einer stabilen Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland politische Bildung überhaupt noch notwendig sei, entgegnete Röken, politische Bildung in Schulen heiße nicht zu lernen, wo man bei politischen Wahlen sein Kreuz setzen solle. „Da gerade die gegenwärtigen Leistungsanforderungen in den Schulen zu Vereinzelung bei Jugendlichen führen, ist politische Bildung und Demokratie-Lernen notwendig, um gemeinsame Prozesse anzuregen und Aufgaben miteinander zu bearbeiten“. Demokratie sei nie fertig, so Röken. Als Verhaltens- oder Lebensform sei Demokratie eine stete Herausforderung.

Evelyn Koch repräsentierte den hauptsächlichen und federführenden Förderer des Wettbewerbs Demokratisch Handeln auf Landesebene: das Thüringer Kultusministerium. Sie bedankte sich bei all jenen Bundesländern, die das Förderprogramm mit dem TKM gemeinsam unterstützen. Sie unterstrich die Bedeutung des Förderprogramms, da es eine Aufgabe sei, Demokratie in sich aufzunehmen, danach zu leben und demokratisch zu handeln. Thüringen habe zudem das Jahr 2009 in Schule und Öffentlichkeit als „Jahr der Demokratie“ ausgerufen. Zu feiern seien 60 Jahre Grundgesetz, 90 Jahre Weimarer Verfassung und 20 Jahre politische Wende mit Deutscher Wiedervereinigung. Im „Jahr der Demokratie“ wolle das TKM mit Wettbewerben, maßgeblich auch mit Demokratisch Handeln, Beispiele suchen, die zeigen, wie Demokratie mit Kopf, Herz und Hand weiterentwickelt werden könne.

Eine Stiftung für Kinder und die Jugend

Als nächstes wurde Jürgen Bosenius von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung auf das Podium gebeten. Auf Leonies Frage nach den Arbeitsbereichen der Stiftung antwortete Bosenius, die DKJS fokussiere insbesondere den Aus- und Aufbau von Ganztagsschulen. „Im Herbst finde hierzu ein großer Bundes-Kongress statt – bereits der vierte seiner Art.“ Da das Programm des Kongresses von Schülerinnen und Schülern mitgestaltet werden könne, lud Bosenius sogleich die Anwesenden ein, an den entsprechenden Vorveranstaltungen teilzunehmen und eigene Interessen zur Geltung zu bringen. Die weiteren Arbeitsbereiche der DKJS skizzierte er exemplarisch mit dem Projekt „Youth Banks“, über das die DKJS kleine Gruppen von Jugendlichen bei ihrer Arbeit vor Ort unterstütze. 2008 sei Partizipation das Jahresthema der DKJS. In diesem Jahr würde versucht, mit Wettbewerben und Veranstaltungen Jugendliche zur Beteiligung zu ermuntern.

Schließlich kam auch der Schülersprecher der Friedensschule Münster, Markus Diemon, zu Wort. Er erklärte, dass seine Teilnahme an der Jurysitzung von Demokratisch Handeln interessante Einblicke in die Arbeit des Förderprogramms gegeben habe. Er versicherte, dass die Schülervertretung an der Friedensschule demokratischen Prinzipien verpflichtet sei. Gewählte Schülervertreter würden nicht im Alleingang handeln, sondern gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern arbeiten. Das Miteinander spiele in der SV eine große Rolle.

Demokratie als stetiges Ziel
Moderatorin Leonie resümierte, dass Demokratie kein Ist-Zustand sondern ein Ziel sei, das stets neu definiert werden müsse. Sie betonte, dass die „Lernstatt Demokratie“ alle „auf einer Augenhöhe“ einander begegnen lasse und Austausch ermöglichen möchte. Schließlich leitete Josephine die Teilnehmer zum ersten Erfahrungsaustausch an. Die Gäste der Lernstatt sollten die Gelegenheit nutzen sich die Projektpräsentationen der anderen anzuschauen, einander zu begegnen und voneinander zu lernen. Die Lernstatt Demokratie hat begonnen! (Münster, 4.6.2008, Veit Polowy)

zurück

 

05.06.2008 (MF)

 
© 2008 Demokratisch Handeln | Impressum