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Workshop 05 Schülerreportage

Was hat ein „Video“ mit Demokratie zu tun ?


Edgar Füchsel, Carl-Zeiss-Gymnasium Jena, Kl. 11

Umspannwerk Jena-Nord: Wir betreten die „Trafobox 1“, in der bereits Sandra und Jonas von der „Thüringer Landesmedienanstalt“ auf die 14 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Video-Workshops warten. Der Stuhlkreis füllt sich langsam und wenn man in die Runde schaut, haben dort hochmotivierte und erwartungsvolle Menschen unterschiedlichen Alters Platz genommen: Vom Viertklässer bis zum Lehrer reicht die Altersspanne der Teilnehmer, die aus ganz Deutschland nach Jena gereist sind (– ist das Attribut „Lehrer“ heute tatsächlich schon eher eine Altersangabe als eine Berufsbezeichnung?).

In einer Vorstellungsrunde – bei der wir bereits mit der Kamera arbeiten – stellen sich die Mitglieder gegenseitig vor. Ohne Scheu vor den Anderen berichten alle von sich, dabei wird überdies gegenseitig Hilfe und Rat bei der Bedienung der Kamera gegeben! Die Aufzeichnungen werden anschließend von Sandra und Jonas analysiert. Sie stellen mit Erstaunen fest, dass schon jetzt einige gut gelungene Aufnahmen gemacht wurden. Die Videokamera ist doch kein ganz unbekanntes Gerät, so mancher aus der Teilnehmerschaft konnte bereits Erfahrungen mit der Kamera machen. Durch Videoprojekte und den Hausgebrauch wissen auch Maximilian und Sophie, zwei Grundschulkinder aus der 4. Klasse, wie man mit einer Kamera umgeht.

Als Hilfe zum professionellen Umgang mit der Filmtechnik führt Sandra den kleinen Lehrfilm „Bildsprache im Videofilm“ vor. In einem amüsanten Szenenbeispiel erfährt Jeder etwas neues über Kamerabewegung, Kameraperspektiven, Schnittformen und verschiedene Einstellung. Der Film findet Interessie, nicht nur weil er sehr aufschlussreich wirkt, sondern auch anschaulich und für jeden verständlich gestaltet ist. Um die dabei diskutierten Fachausdrücke für den Umgang mit der Kamera zu festigen, versuchen die Workshopmitglieder das im Film Gesehene praktisch zu wiederholen. In kurzer Zeit schaffen sie es, gemeinsam und auch mit Hilfe der Profis, alles noch einmal zu wiederholen. Zum Abschluss dieser Theorie-Phase fragt Sandra: „Wodurch können Filme oder Reportagen manipuliert werden?“. Sofort fallen Stichworte wie Musik, Licht, Requisite und Bewegung. Jetzt endlich dürfen die geschulten Filmexperten auch ihren eigenen Film drehen. Aber zuvor stellt sich noch ein unerwartet schwieriges Problem: Was wollen wir Filmen? In einer regen und fast unkontrollierbaren Diskussion skizzieren einige Teilnehmer ihre unterschiedlichen Vorstellungen. Es ist für sie aber unmöglich, bei der Menge der Ideen eine Entscheidung zu treffen. Doch zur Erleichterung aller Beteiligten macht Sandra den Vorschlag, eine Reportage zur IMAGINATA mit unterschiedlichen Sichtweisen zu erarbeiten.

Die Idee wird mit Begeisterung aufgenommen, da sie einerseits von einem Filmprofi kommt und andererseits aufgrund der stark begrenzten Zeit am ehesten zu verwirklichen ist. Schnell ist auch entschieden, wer in der „Negativen Gruppe“ und wer in der „Positiven Gruppe“ ist. Dahinter verbirgt sich unser ganz pragmatischer Zugang zum Problem: „Grenzen und Kritik zu finden – Aufgabe der „Negativen Gruppe“ – sowie Stärken und besondere Perspektiuven herauszuarbeiten – Aufgabe der „Positiven Gruppe“ - , darum soll es schließlich im Film gehen.

Das „Negative Gruppe“ findet sich in einem Kreis zusammen und berät über die gemeinsame Vorgehensweise. Die Ideensammlung erfolgt ruhig und sachlich in der klassischen „jeder hört dem Anderen zu-Manier“. Die Vorschläge der Kinder werden genauso ernst genommen, wie die der Erwachsenen – der Workshop hat also bereits in dieser Hinsicht etwas mit Demokratie zu tun. Gemeinsam wird der Entschluss gefasst, die dunkelsten Ecken des ehemaligen Umspannwerkes als Drehplätze zu nutzen und die Szenen dann bei der Bearbeitung mit der passenden Musik zu untermauern. Die Gruppe entschließt sich noch vor dem Mittagessen, die einzelnen Sets zu begutachten. Dabei entstehen schon drei kleine Aufnahmen. Jonas, der die „Negative Gruppe“ als Experte begleitet schlägt vor, Maximilian und Sophie als Schauspieler einzusetzen, da die Angst von Kinder wirkungsvoller sei als die gespielte Angst eines Erwachsenen. Das Kamerateam um Lutz und Judith aus Hamburg begibt sich zum Drehort und nach anfänglichen Schwierigkeiten ist die erste Szene „im Kasten“. Alle sind mit zunehmender Begeisterung bei der Sache und das Team arbeitet kooperativ zusammen. Die Aufnahmen werden immer besser, was nicht nur der Beratung von Jonas zuzuschreiben ist, sondern auch der aktiven und produktiven Zusammenarbeit der ganzen Gruppe. Auch wenn die jungen Schauspieler heute zum ersten Mal vor der Kamera stehen, zeigen sie von Anfang an kein „Lampenfieder“. Aufgemuntert und gelobt von ihrem Lehrer Gunther Konrad, schauspielern sie immer besser und wissen schon in so jungen Jahren Mimik und Gestik effektiv einzusetzen.

Nachdem sich alle beim Mittagessen gestärkt haben, teilt Sandra zur Auflockerung ein Journalisten–Quiz aus, das allen zu neuer Motivation für den Nachmittag verhilft, da die Fragen zu beantworten waren und somit ein kleines Erfolgserlebnis für Alle geschaffen wurde. Nun geht es für das Team der „Negativen Gruppe“ weiter, um die restlichen Szenen für die Reportage fertig zustellen. Mit viel Freude und wachsender Erfahrung arbeitet das Team immer enger zusammen und benötigt dadurch immer weniger Zeit, um eine Aufnahme zu perfektionieren. Dem Zufall ist es zuzuschreiben, dass das Filmmaterial durch die Probe des Schlagzeugorchesters mit passender Musik untermauert, was aber auch eine kleine Herausforderung für die Schauspieler ist. Sie können nun auf Grund der Lautstärke nur noch mit Mimik und Gestik arbeiten. Aber auch diese Hürde wird mit Unterstützung und Ratschlägen von Jonas überwunden.

Ein idealer Drehplatz ist für das Kamerateam auch das in einer dunklen Halle gelegene Spiegelkabinett und so werden auch andere Ausstellungen der IMAGINATA genutzt, um alleine durch die Bilder eine mystische und unheimliche Stimmung zu erzielen. Als dann alle Szenen für die Reportage aufgenommen sind, versammeln sich die „Positive Gruppe“ und die „Negative Gruppe“ wieder in der Trafobox 1, um gemeinsam das Filmmaterial auszuwerten. Sandra legt die Videokassetten in den Videorekorder und es wird darüber abgestimmt, welche Aufnahmen man für die Reportage geeignet sind.

Schnell einigen sich die Workshopteilnehmer und nun stellt sich die Frage, wie man die zwei Reportagen miteinander verbinden möchte und dabei auflösen will, was mit Manipulation im Fernsehen erzielt werden kann! Am besten geeignet scheint hier allen die Form der Moderation, die dann von einer Schülerin aus Hamburg übernommen wird. Nachdem auch das letzte Filmsequenz fertiggestellt ist, macht sich das Schnittteam an die Arbeit, um die einzelnen Szenen zu verbinden und in ihrer Wirkungen mit Musik adäquat zu verstärken. Das Ziel ist bald erreicht, das Video ist fertig! Nach einem anstrengenden Tag ist schon jeder gespannt, wie das Werk wohl bei den Zuschauern ankommt. Am Freitag früh findet die Präsentation der „Tagesthemen“ und damit auch unseres Filmes statt. Die Ergebnisse der einzelnen Workshops werden vorgestellt. Das Licht wird matter, der Saal verdunkelt sich, der Beamer wird in Position gerückt und es herrscht erwartungsvolle Stille. Endlich erstrahlt das erste Bild auf der Leinwand. Interessiert, mit einem Lächeln und einem gelegentlichen Lachen schauen sich die Zuschauer die Reportage unseres Videoworkshops an. Auf die negative Darstellung folgt die Frage, ob das denn wirklich so ist und anschließend sind einige Umfragen und Aufnahmen zu sehen, die das ehemalige Umspannwerk von seiner guten Seite zeigen. Als Auflösung für das Publikum spricht die Moderatorin die Problematik der Manipulation im Fernsehen an und weist darauf hin, dass auch diese Reportage absichtlich manipuliert wurde. Das entstandene Werk stößt bei den Zuschauern auf große Resonanz und lauter und begeisterter Applaus ist der Lohn. Karlheinz Goetsch, der Moderator des Vormittags ruft alle Teilnehmer des Video-Workshops auf die Bühne und es gibt nochmals kräftig Applaus. Der Erfolg ist nicht nur den einzelnen Filmtalenten und der Unterstützung der Profis zu verdanken, sondern vor allem dem „Teamwork“, dem Miteinander, dem Absprechen und der Fähigkeit unserer Gruppe, schnell und koordiniert Ziele auf der Basis eigener Absprachen zu erreichen. Das alles ist eben auch elementarer Bestandteil einer praktischen Demokratie, die – das hat uns der Workshop eben auch gezeigt – das Leben der Menschen doch erheblich erleichtert.

Bilder und Ergebnisse

 
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