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Workshop 04

"Meine Kinder fragen sich, ist die größte Sünde denn der Frieden, in einer Welt mit viel zu vielen Kriegen, doch Gott legte unser Herz konsequent in die Wiege und deshalb setz ich auch mein letztes Hemd für die Liebe."


Alexandra Völz, Carl-Zeiss-Gymnasium Jena, Kl. 11

Mit dieser Hook, sprich: dem Refrain eines Liedes beginnt am 16.06.05 der HipHop-Workshop auf dem Gelände der Imaginata. 17 junge Teilnehmer, darunter neun Mädchen und acht Jungs im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, finden sich im sogenannten "weißen Haus" - weniger ein Regierungssitz irgend eines einflussreichen Politikers, eher ein weißgetünchtes Nebengelass zwischen Umspannwerk und Autowerkstatt - zusammen, um eine kleine Performance zum Thema "Macht Platz für die Demokratie" zu erarbeiten. Der Raum ist übersäht mit elektrischen Kabeln an der Wand. Einzig und allein ein paar Sitzmöglichkeiten und Trommeln geben dem Ambiente das Flair relativer Gemütlichkeit. Denn neben den kahlen Wänden gehen selbst die Turntables unter. Unter den Teilnehmern sind auch professionelle HipHopper und DJs, die für gute Stimmung und den richtigen Flair sorgen sollten. HipHop steht für eine Kultur "von unten", und diese Kultur bewegt mehr, als manche Leute zu wissen glauben: Junge Leute sagen deutlich ihre Meinung, und das einzig und allein mit der Kraft der Worte.

Bereits auf dem Weg zum Treffpunkt klingen laute Beats und Raps aus den Türen des Hauses und halten die Leute im Bann. Ich geselle mich hinzu, packe mein Schreibzeug aus und halte meine ersten Eindrücke fest. Auf den ersten Blick fallen mir vor allem die Klamotten der Jungs auf. Weite Hosen, lange Shirts und Baseballkappen geben dem Raum die Atmosphäre eines wahren HipHop-Clubs. Sowohl den Jungs als auch den Mädchen war anzusehen, wie sehr sie auf den Beginn warten. Als Heinfried Tacke, Theaterpädagoge und Leiter dieses Workshops, den Raum betritt, versammeln sich alle auf zwei Bänken und einer Couch, die im Raum stehen. Auch ich darf mich in die Runde setzen und mir wird angeboten, am Workshop teilzunehmen, falls mich die Lust dazu überfallen sollte.

Die erste Frage, die Heinfried (natürlich durften wir ihn alle duzen) seinen jungen Teilnehmerinnen und Teilnehmern stellt, lautet: "Wer von Euch hat in dieser Nacht mehr als vier Stunden geschlafen?". Als ich dies höre, muss ich erst einmal grinsen, Heinfried scheint sich doch sehr gut mit Jungendlichen auszukennen. Wie anzunehmen, schliefen nur sehr wenige mehr als die geforderten vier Stunden. Damit die Teilnehmer nicht aus dem Rhythmus kommen, soll jeder aufstehen und weiter feiern. Manu, der DJ legt seine Platten auf, und schon soll es los gehen. Die Mädchen und Jungs sollen jetzt eigentlich tanzen, doch irgendwie waren sie wohl noch zu geschafft von den Gesprächen, Stadterkundungen und Begegnungen des voraus gehenden Abends. Da noch keine richtige Stimmung aufkommen will, nimmt Heinfried das Ganze in die Hand. Die Jungs und Mädels stellen sich im Kreis auf und er erklärt ihnen sein imaginäres Spiel mit dem Ball. Dabei sollen die Teilnehmer so tun, als ob sie einen Ball auf der Hüfte kreisen lassen um ihn dann zur nächsten Person weiter zu schießen. Damit war das Eis gebrochen, alle lachen und haben Spaß. Die nächste Übung: Alle sitzen wieder auf ihren Plätzen und werden aufgefordert, den Kopf zu senken und zu summen. Mal ein tieferes und mal ein höheres Summen schallt durch den Raum. Das Ziel dieser Übung bestand darin, einen gemeinsamen Ton zu finden und ihn zu halten, denn nur so kann man in einer Gruppe "rappen". Nach diesen Aufwärmübungen besprechen wir, wie der Workshoptag weiter verlaufen soll. Es soll ein Planspiel stattfinden, bei dem zum Schluss eine kleine Präsentation zum Thema Frieden und Demokratie entstehen könnte. Dabei gehen wir vom Modell einer Kreativagentur aus, dem wir folgen sollen, um diese Präsentation zu erarbeiten. Es wurden Zettel verteilt mit der Überschrift " 8 Schritte zum Erfolg: so arbeiten Kreativagenturen". Mit dieser Hilfe sollen die Jungs und Mädchen untereinander aufteilen, wer was zu sagen und zu erledigen hat. Ziel war es, eine gut durchdachte Agentur zu bilden mit verschiedenen Gruppen und Aufgabenbereichen. Etwa 20 Minuten später soll Herr Tacke die Agentur besuchen und einen Auftrag überreichen. Die Idee war, im Rahmen einer Großstadtaktion "Frieden ist der Weg" - die sich gegen aktuelle politische Bestrebungen einiger Großmächte richten sollte, die mit Hilfe von Krieg als politischem Mittel versuchen, die Demokratie in andere Länder zu bringen - eine Show von Jugendlichen präsentiert wird, die sich auf ihre Weise, eben mit Hilfe ihrer Kultur des HipHop, für Demokratie und Frieden engagieren und einsetzen. Herr Tacke vergibt diesen Auftrag also an die Kreativagentur der jungen HipHopper.

Danach wurde in "Kernteams" gearbeitet. Die Agentur besteht aus fünf verschiedenen Gruppen. Die Jungs und Mädchen verteilen sich in die Gruppen Rap, Schauspiel, Tanz, Musik und Regie. Der erste Schritt ist es, eine passende Musik zu finden, denn danach richtet sich der gesamte Rest der Show. Um diesen Teil kümmern sich Manuel, Tobias, Erik und Marcel. Die Gruppe "Rap", bestehend aus Franco, Christin, Susan und Ivana sucht sich ein lauschiges Plätzchen im Freien, um ihren Ideen freien Lauf zu lassen. Von der "Regiegruppe" wird Steven zum Gruppenleiter ernannt. Er solle Ideen sammeln und die Gruppen koordinieren. Zur Gruppe der "Regie", die aus Robert, Annett und Steven besteht, gesellen sich auch die Mitglieder des Schauspiels, Nadine und Yasmin, dazu. Denn nur mit der Hilfe einer Regie ist es möglich, ein geeignetes Konzept für die Präsentation zu entwickeln. Die Mitglieder der Gruppe "Tanz", Claudia, Yvonne und Olga, machen sich Gedanken über ihre Choreografie. Zur gleichen Zeit diskutiert die Regie, was für sie eigentlich Demokratie bedeutet. Der Begriff stehe für Freiheit, Bewegungsfreiheit, angstfrei leben können, Selbstbestimmungsrecht, Gleichheit und Brüderlichkeit. Es werden dort auch die Begriffe Anarchie und Diktatur geklärt. Denn für die "Regie" bilden diese drei Herrschaftsformen die Extreme. Darüber hinaus entwickeln sie den Claim - also den Titel - ihrer Kampagne. Er lautet " Für Demokratie, aber keine Gewalt." Dies soll also der Aufhänger der Präsentation werden. Die Gruppe der Regie hat ebenfalls den Vorschlag ein Format aus dem Fernsehen zu nehmen um ihre Show zu präsentieren. Diese Idee sollte später im "Format" der Sendung "Herzblatt" in die Tat umgesetzt werden. Mit viel Elan und Begeisterung wird bis zur Mittagspause hart an der Umsetzung der Ideen gearbeitet. Nach etwa einer Stunde Pause geht es weiter. Mit einem "Blitzlicht" wird die zweite Tageshälfte eingeläutet. Es werden Ergebnisse der einzelnen Gruppen kurz vorgestellt, Ziele aufgeschrieben und abgestimmt, wie es weitergehen soll. Wichtig war jetzt, wie die Tanz- und Musikgruppe zusammenarbeitet. Denn die Musik muss passend auf den Tanz abgestimmt sein. Nach etwa zwei Stunden finden sich die Teilnehmer wieder im "weißen Haus" zusammen, um ihre endgültigen Ergebnisse den Anderen vorzustellen. Als erstes zeigt die "Regie" ihre Ergebnisse. Auf einem Plakat, das jetzt die kahle Wand ziert, wurde aufgeschrieben, welche Botschaft "Demokratie" vermittelt. Als nächstes zeigt die "Musik" ihr Können. Mit einer kleinen Einleitung und anschließender Musik bringen sie das winzige Haus zum Beben. Auch der "Tanz" zeigt, was man inzwischen kann. Die drei Mädchen demonstrieren, wie man durch ein paar Bewegungen des Körpers, Zusammenhalt und auch Freiheit anschaulich zeigen kann. Alle sind begeistert von der Darbietung. Anschließend wird das Rollenspiel in Analogie zum TV-"Herzblatt" vorgestellt. Auf der einen Seite sitzen Demokratie, Diktatur und Anarchie und auf der anderen Seite das Volk. Ziel des Volkes ist es nun, mittels gezielt gestellter Fragen herauszufinden, welcher der drei Kandidaten am besten zu ihm passt.

Danach stellt sich der "Rap" vor und zeigt, welche Zeilen die Gruppe in den letzten drei Stunden komponiert hat. Alle sind fasziniert, wie man mit Hilfe von Musik und ein paar Textzeilen so versteckt und doch sehr offen seine Meinung zeigen kann. Zum Schluss rappen alle noch gemeinsam zur Musik, die aus den Boxen dröhnt. Nach dieser kleinen Präsentation in der eigenen Firma geht es erst einmal zum verdienten Abendessen. Es müssen Kräfte geschöpft werden, denn danach soll das Ergebnis dem Auftraggeber präsentiert werden. Auch der ist von der Ideenumsetzung begeistert und freut sich schon auf die Präsentation vor Publikum.

Die Teilnehmer des HipHop-Workshops haben hart für ihr Ergebnis gearbeitet und gezeigt, das sich auch junge Leute für Politik interessieren. Jugendliche halten keine Reden im Bundestag oder anders wo. Sie drücken ihre Meinung auf ihre ganz eigene Weise aus, wobei ihre eigene Kultur, bspw. der HipHop, heute eine wichtige Rolle spielt. Auch junge Leute wissen, was Demokratie bedeutet und wissen sie zu schätzen. Die Teilnehmer des HipHop-Workshops zeigen mit Rap, Theater, Tanz und Musik, wie man auf verschiedenste Weise Demokratie ausdrücken und mitgestalten kann.

Am nächsten Tag werden die Ergebnisse sämtlicher Workshops präsentiert. Von Holzarbeiten, Linolschnitt, Theater über Fotokameras bis hin zu selbstverfassten Geschichten ist alles dabei. Aber besonders großen Applaus gibt es für die Mädchen und Jungs der HipHop Truppe. "Meine Kinder fragen sich, ist die größte Sünde denn der Frieden, in einer Welt mit viel zu vielen Kriegen, doch Gott legte unser Herz konsequent in die Wiege und deshalb setz ich auch mein letztes Hemd für die Liebe."

Diese Zeilen schallen durch den Raum und erregen Diskussionen und Nachdenken. Ich vermute, kaum einer der anwesenden Gäste konnte sich wohl vorstellen, wie HipHop und Demokratie miteinander vereinbar sind. Doch diese Bedenken werden schnell vertrieben. Allen hat die Präsentation sehr gut gefallen. HipHop ist also mehr als manche glauben. Mit ihm kann man Gedanken und Gefühle eindrucksvoll wiedergeben. "Jeder kennt das Gangsterklischee des HipHop, doch damit wollen wir nichts zu tun haben." sagen die Jungs und Mädels des HipHop-Workshops nicht ohne Grund. Sie wollen zeigen das sie mehr zu sagen haben und man ihnen einfach mal zu hören sollte, bevor man ein Urteil über den HipHop bildet - das ja dann ohnehin ein "Vor-Urteil" wäre!

Auch für mich, jemand der sehr gern HipHop hört und auch zuhört, gab es in diesen zwei Tagen viel Neues zu entdecken. Gelernt habe ich vor allem, was Zusammenhalt bedeutet. Denn ohne Vertrauen auf die anderen Gruppen wäre solch eine Präsentation nach nur einem Tag niemals zustande gekommen. Die Leute selbst haben sich sehr gut verstanden, was die ganze Sache noch schöner gemacht hat. Doch habe ich nicht nur einiges über Gemeinschaft und Vertrauen erfahren sondern natürlich auch über Demokratie. Ich habe erfahren, was andere über Demokratie denken und davon halten. Interessant war es auch zu sehen, wie jede einzelne Gruppe ihre Idee von Demokratie umgesetzt hat. Alles in allem hat mir dieser Workshop sehr viel Spaß gemacht und ich habe auch viel gelernt, sowohl über Vorurteile gegenüber dem HipHop als auch über Zusammenhalt einer Gruppe. (Alexandra aus Jena)

 
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