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Stadtspaziergang "Jena- Wiege der feinmechanisch-optischen Industrie"

Das sind alle?, fragt die Stadtführerin etwas verunsichert, als sie unsere Gruppe - bestehend aus sieben Leuten - sieht. Sie fügt aber schnell hinzu: Je weniger, desto besser! Und so ziehen wir los, um zu erfahren, wie sich die feinmechanisch-optische Industrie in dem einstigen Handwerkerstädtchen Jena entwickelt hat.

Im Schatten des Universitätshauptgebäudes erzählt uns unsere Stadtführerin von den drei Gestirnen des Wissens und der Wissenschaft, die Jena bekannt gemacht haben. Da ist zum einen Carl Zeiss, der das Handwerk in Jena aufbaut und für den Bau seiner Mikroskope Glas benötigt. Hieraus ergibt sich die Beziehung zu Otto Schott, der Zeiss das richtige Glas liefern kann und schließlich zu Ernst Abbe, der die Brechung des Lichts im Glas untersucht und schließlich damit die entscheidende Vorausstezungen für die Glastechnik und die Feinoptik schafft, die Jena letztlich so berühmt gemacht hat.

Ergebnis dieses Schaffen sind das Schott-Werk und das Zeiss-Werk und damit wächst das kleine Städtchen Jena. Das Zeiss-Werk wird zum größten Arbeitgeber der Stadt. Dort zu arbeiten ist für den Jenaer Bürger durchaus etwas besonderes, denn durch eine von Ernst Abbe gegründete Stiftung kann Carl Zeiss schon zu der ersten Blütezeit seiner Firma seinen Mitarbeitern soziale Leistungen wie Urlaub und Rente gewährleisten. Schnell wird sichtbar, dass das Unternehmertum der Bürger- und Gründerzeit nicht nur Teil einer differenzierten Kapitalisierung und Teilung von Arbeit war, sondern zugleich in einer Wahrnehmung von Sozialität und Fürsorge stand. Viele bauten für die Bürgerschaft der Stadt zeugen noch heute davon: Volkshaus mit Volksbibliothek, das Universitätshauptgebäude und das Volksbad belegen, dass eine Seite der "feinmechanisch-optischen Industrie" in Jena auch ihr - heute würde man sagen - bürgerschaftliches Engagement war.

Wir schlendern auf den Marktplatz und machen einen kurzen Abstecher ins Stadtmuseum, in dem wir die "sieben Wunder" Jenas kennen lernen. Am Rosenkeller vorbei ziehen wir zum Intershop-Turm. Er wird 1972 fertig gestellt und soll dem Zeiss-Werk als Forschungshaus dienen. Doch es stellt sich heraus, dass er sich auf Grund seiner Statik und seiner Schwankungen nicht für die schweren Konstruktionstische und Präzisionsgeräte des Unternehmens eignet. So wird er der Jenaer Universität überantwortet, die auf diese Weise ein Hochhaus mit dem zweifelhaften Charme von Großraumbüros für den Fakultästbetrieb nutzen konnten - auch die seinerzeitige Sektion Pädagogik war übrigens sin den 1970er und 80er-Jahren im sogenannten Uni-Turm untergebracht. Seiner ursprünglichen Bestimmung als Forschungslabor der feinmehcanisch-optischen Industrie kommt er so nur bedingt entgegen. Es geht weiter zum Campus der Universität, dem ehemaligen Innenhof des Zeiss-Werks. Wir entdecken hinter Mülltonnen und einem Laster versteckt das Holztor, das früher den Durchgang zum Innenhof versperrte und den heute die Straßenbahn passieren kann. Denn Zeiss legte schon damals Wert auf eine strikte Geheimhaltung des produktiv nutzbaren Fachwissens in seinem Unternehmen.

Nach zwei Stunden Stadtführung sitzen wir dann im Schatten des Ernst Abbe Tempels - der von dem berühmten Architekten und Bauhaus-Künstler Henry van de Velde geschaffenen Ernst-Abbé-Gedenkstätte. Unsere Stadtführerin verspricht uns, dass wir noch lange nicht alles gesehen hätten, so zum Beispiel das Optische Museum, die Werkstätten von Carl Zeiss, die Produktionsstätten und das Geburtshaus von Carl Zeiss und natürlich das berühmte Jenaer "Sternentheater" - wie das Else Ury in ihrem Jugendroman "Professors Zwillinge" nennt - das älteste betriebsfähige Planetarium, eine Konstruktion von Walter Bauersfeld und in seiner Technik zugleich ein bis heute wichtiges "feinmechanisch-optisches" Gerät aus Jenaer Fertigung. Doch uns steht der Sinn nach einem großen Eisbecher. Den genießen wir bei strahlendem Sonnenschein und lassen so unseren Stadtspaziergang ausklingen. (Myrijam Schwarzer)

 
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