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Gedenken, Mahnen, Erinnern, Hilfe und Helden – Stärken und Schwierigkeiten einer notwendigen Geschichtsforschung.

Ein Bericht von der Internationale Konferenz zur Holocaustforschung Berlin

Die dritte Internationale Konferenz zur Holocaustforschung stand unter dem Thema "Helfer, Retter und Netzwerker des Widerstands". Anlässlich des 66. Jahrestages zur Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau sowie des 1996 von Roman Herzog proklamierten Gedenktages begann die Konferenz am 27. Januar 2011. Die Bundeszentrale für politische Bildung, das Kulturwissenschaftliche Institut Essen und die Gedenkstätte Deutscher Widerstand hatten zahlreiche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Bildungs- und Gedenkstättenarbeit ins dbb forum in Berlin eingeladen.

Eröffnet wurde die Tagung durch den Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Krüger sowie durch Bundesinnenminister Thomas de Mazière. Sie erinnerten an den Holocaust und betonten die Bedeutung von Gedenken und Erinnern. Mit Ladislaub Löb, der sein Überleben im Holocaust Rezső Kasztner zu verdanken hat, begann der Auftakt einer Vortragsreihe, die das Thema der Helfer und Retter während der Zeit des Nationalsozialismus in den Mittelpunkt stellte. Löb betonte, dass sein Werk "Geschäfte mit dem Teufel" nicht nur einen Teil seiner Autobiographie vorstellt, sondern auch die Rekonstruktion der Rettungsgeschichte von 1700 ungarischer Juden enthält.

Vertiefend dazu betrachteten nachfolgend Harald Welzer (Kulturwissenschaftliches Institut Essen) und Johannes Tuchel (Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand) den Stand der Helfer-Forschung. Das Spektrum und das Ausmaß, die Situationen und die Bewertung der Hilfe standen dabei im Mittelpunkt. Umstritten war vor allem die Bezeichnung der Retter als "Helden", ein für die analytische Dimension geschichtswissenschaftlicher Forschung zweifellos schwieriger Terminus.

Am Nachmittag gab es eine Podiumsdarstellung, die die Hilfe für Juden in NS-Deutschland unter den Gesichtspunkten der Handlungsspielräume, Möglichkeiten und Grenzen zu skizzieren versuchte. Zu Gast waren bei Moderator Christian Gudehus (Kulturwissenschaftliches Institut Essen) Wolfram Wette (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg), Barbara Schieb (Gedenkstätte Stille Helden, Berlin) und Dennis Riffel (Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V., Berlin). Abschluss fand der erste Konferenztag am Abend mit einem Konzert der Künstler Avri Levitan und Yael Kareth.

Hilfe in der Vernichtungsdiktatur?

Im Blickpunkt des zweiten Konferenztages stand die europaweite Hilfe für Juden während des Holocausts. Eröffnet wurde der Tag durch Podiumsvorträge internationaler Gäste mit der Moderatorin Ina Boesch (Zürich). Zu Hilfe für Juden in Ost- und Westeuropa sprachen unter anderem Beate Kosmala (Gedenkstätte Stille Helden, Berlin), Bob Moore (Universität Sheffield), Alejandro Baer (Universität Bayreuth) und Irena Steinfeldt (Gedenkstätte Yad Vashem, Jerusalem).

Das Podium am Nachmittag setzte sich mit der Frage auseinander, wie man Hilfe unter den eingeschränkten Bedingungen der NS-Diktatur entfalten konnte. In diesem Zusammenhang kamen die sozialen Beziehungen verfolgter Überlebender zur Sprache. Vieles ist zudem kaum rational erklärbar. Das gilt bis heute für Situationen, in denen nationale Politik mit dem Genozid von Bevölkerungsgruppen operiert. Staatlicher Mord ist eben immer noch eine politische Kategorie. Bezug zur Aufarbeitung des Völkermords in Ruanda vom Sommer 1994, der geschätzt eine Million Menschen das Leben kostete, nahm der Vortrag von Gerd Hankel (Hamburger Institut für Sozialforschung). Weiterhin zu Gast waren bei Mark Roseman (Indiana Universität Bloomington): Marten Düring (Kulturwissenschaftliches Institut Essen), Ethan Hollander (Wabash College, Crawfordsville, Indiana) und Natan Sznaider (Academic College of Tel-Aviv).

Den Abschluss der Konferenz bildete die Diskussion zum Thema "Was hat das mit uns zu tun?". Thematisiert wurde der Aspekt der Zivilcourage unter Berücksichtigung der Vergangenheit. Mit der Einladung zahlreicher renommierter Projektmitarbeiter wurden ebenfalls aktuelle Aktivitäten und Möglichkeiten aufgezeigt. Unter anderem stellte Marcus Appelbaum (U.S. Holocaust Memorial Museum, Washington D.C.) die Arbeit mit amerikanischen Polizisten vor und Deidre Berger vom Berliner Büro des American Jewish Committee AJC machte auf das Programm "Hands Across The Campus" aufmerksam – ein Currciulum zur Sensibilisierung gegenüber Vorurteilen und zur Toleranzförderung, das mit dem LISUM Berlin stufenbezogen für Grund- und Sekundarschulen erarbeitet worden ist. Weitere Mitdiskutanten waren der Journalist und Filmemacher Reinhard Kahl, der Autor Christian Nürnberger und die Kulturwissenschaftlerin Susanne Beer.

Es bleibt der zwangsläufige und immer noch anhaltende Eindruck des Unfassbaren gegenüber staatlichem Massenmord. Auch die Tatsache, dass diese mit der Moderne einhergehende zweifellos politische Erscheinung des gruppenbezogenen Gewaltverbrechens bei seiner Entstehung vermieden werden muss, ist unübersehbar. Beste Voraussetzung bieten dafür demokratische, öffentliche, kritikfähige Verhältnisse und geteilte Gewalten.

(Arila Feurich, Mario Förster, Jena/Göttingen)

(01.11.2011, LR)

 
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