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WS 05 - Schülerpartizipation und demokratisches Handeln

Zum 10-jährigen Bestehen Demokratisch Handelns im Jahr 1999, wurden in dem Workshop "Demokratisierung der Schule" folgende Verbesserungsvorschläge für die zukünftige Arbeit des Förderungsprogramms erarbeitet: Zum Einen soll die Präsentation des Förderprogramms nach außen offensiver gestaltet werden; zum Anderen wurden Seminare für Schulleiter vorgeschlagen, in denen demokratische Prozesse für Schulen erarbeitet werden können und zum Letzten müsse die Schülerschaft rechtzeitig in die Programmgestaltung Demokratisch Handelns einbezogen werden. Jeder dieser Punkte konnte in den letzten Jahren verwirklicht werden und so blickt Demokratisch Handeln in seinem nun mehr 20-jährigen Bestehen auf eine erfolgreiche Optimierung des Förderprogramms zurück. Doch es gilt in besonderer Weise die Schülerpartizipation weiter zu stärken und auszubauen – den in den ersten Jahren der Wettbewerbsausschreibungen spielte die verfasste Mitbestimmung von Schülerinnen und Schülern so gut wie keine Rolle. Seit ein paar Jahren aber ist hier eine Veränderung feststellbar.

Vorschläge dazu wurden während der Tagung "20 Jahre Wettbewerb Förderprogramm Demokratisch Handeln" in dem Workshop "Partizipation" unter der Moderation von Vincent Steinl erarbeitet. Zunächst wurde darüber debattiert, wie der Begriff Partizipation definiert werden kann, um im anschließenden Erfahrungsaustausch in puncto Schülerbeteiligung Impulse für zukünftige Projekte zu erhalten: Bedeuten Schülerbeteiligung, Schülervertretung und Demokratie das Gleiche, an welchen Stellen ist Schülerpartizipation im Lebensraum Schule angesiedelt und wie kann diese durch den Wettbewerb Demokratisch Handeln gefördert werden?

Partizipation und Beteiligung – was ist das eigentlich?

Bei den Teilnehmern bestand große Einigkeit in der Trennung der Begriffe Schülerbeteiligung,  Schülervertretung und Demokratie sowie in der Überzeugung, dass die Schülervertretung eine Möglichkeit darstellt, demokratisch handeln zu können. Demokratie ist ein gesellschaftliches Grundverständnis und muss Schülerpartizipation voraussetzen, so eine der Grundthesen. Schließlich kann auch außerhalb der Schule demokratisch gehandelt werden.

Allerdings bedeute Demokratie nicht alleine lediglich wählen zu können, sondern auch die Ideen jedes Einzelnen anzuhören und ernst zu nehmen. Jedoch verschwinde das Demokratiebewusstsein allmählich aus der Gesellschaft, da es im Laufe der Jahre mehr und mehr zu einer "Statue", einem festen Element, das nicht als lebensgestaltend und dynamisch wahrgenommen werde,  im Denken der Menschen geworden sei. Genau aus diesem Grund aber müsse Demokratie immer wieder neu erlernt werden. Beteiligung bedeute hierbei, mitbestimmen sowie aktiv mitwirken zu können. Die Schülervertretung ist dabei lediglich ein Mittel der Beteiligung, da die Partizipation der Schüler schon in der Klasse beginne und nicht erst in der Schülervertretung. Zwar habe jeder Jugendliche ein Stimmrecht, jedoch werde dies zu wenig oder könne an manchen Schulen nicht ausreichend genutzt werden. Zudem sei die Beteiligung der Schüler an der Gestaltung des Unterrichtes bislang eher schwierig umzusetzen.

Vom Schein zum Sein: ein achtstufiges Beteiligungskonzept

Im Anschluss an die Anfangsdiskussion über die Begriffe Demokratie sowie Partizipation problematisiert Vincent Steinl die Herkunft eines Beteiligungskonzeptes, das im Bereich der Stadtplanung geprägt und zu einem achtstufigen Modell entwickelt wurde, in dessen erster Stufe der Schein über die Sache ragt, in dessen letzter Stufe dann aber substanzielle Partizipation erreicht werden könne. Dabei wurden folgende Begriffe für diese Stufen vorgeschlagen:

  1. Manipulation (dieser Punkt könne mit der Demonstration für eine neue Schulreform in Hamburg verglichen werden, bei der Eltern die Forderungen formulierten und ihre Kinder als Boten auf die Straße schickten)
  2. Dekoration
  3. Alibi-Beteiligung
  4. zugewiesen, aber informiert
  5. befragt und zugewiesen
  6. Mitgestaltung einzelner Aspekte
  7. Mitbestimmung
  8. Selbstbestimmung

Partizipation beispielhaft

Im Weiteren wurden zwei Schülerprojekte vorgestellt. Zunächst erklärten Florian Demanku und Florian Beutenmüller, ehemalige Schüler des Gymnasiums in Neckartenzlingen, ihr System der Schülermitverantwortung (SMV). Dort können alle Schülerinnen und Schüler an substanziellen Fragen der Schulgestaltung und Schulentwicklung mitwirken, auch wenn sie keine Klassensprecher bzw. Funktionsträger innerhalb der Gremien und Wahlverfahren der "verfassten Schülerpartizipation/SMV" sind. Die Voraussetzungen für die Mitarbeit in dieser schuleigen und pragmatisch modifizierten Form der SMV sind Teamfähigkeit, Offenheit für Neues und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Die Jugendlichen des Gymnasiums Neckartenzlingen haben mit Hilfe der SMV über mehrere Jahre hinweg zahlreiche Projekte durchgeführt. So erweiterten sie beispielsweise selbstständig ihren Kunstraum oder gestalteten 2006 ihr Schulgebäude neu. Bei der Vorstellung ihrer Projekte betonten die beiden ehemaligen Schüler, dass die Durchführung dieser allein durch die große Motivation der Schülerinnen und Schüler sowie durch das vorhandene Vertrauen und Zutrauen der Lehrer möglich war.

Ein Schüler sprach über die Schülerkammer in Hamburg, welche gezielt an Jugendliche herantritt, um bei ihnen das Interesse für die Beteiligung in einer Schülervertretung zu wecken. Momentan werden in zehn Schulstunden die Jugendlichen an die Arbeit der Schülervertretung herangeführt und darüber aufgeklärt, wie weit diese Strukturen reichen können und welche Möglichkeiten der Partizipation es grundsätzlich gibt. In Hamburg existiert eine Art Stammtisch, an welchem Schüler, Lehrer und Eltern gemeinsam über Probleme diskutieren. Dies sei in Deutschland einmalig. Wichtig ist zu begreifen, dass Demokratie nicht erst in Parlamenten, sondern in den Schulen beginne. Aus diesem Grund sei ein gewisses Engagement der Schüler von großer Bedeutung.

Im Anschluss an die Präsentation der beiden Projekte diskutierten die Teilnehmer des Workshops, an welchen Stellen und in welcher Art und Weise die Schülerbeteiligung bei Demokratisch Handeln gezielt gefördert werden kann. Dazu war es notwendig einen genaueren Einblick in die bisherige Arbeitsweise des Förderprogramms zu erhalten, welche sich in vier große Punkte aufschlüsseln lässt:

  1. Ausschreibung/Wettbewerb
  2. Lernstatt Demokratie
  3. Regionalberatung
  4. Dokumentation und Aufbereitung der einzelnen Projekte

Folgende Auswahlkriterien sind für die Ausschreibung Demokratisch Handelns von besonderer Bedeutung: Dem Projekt muss eine demokratisch-politische Thematik zugrunde liegen, es sollte Formen des demokratischen Umgangs zwischen den beteiligten Gruppen aufweisen sowie ein breites Spektrum an Tätigkeits- und Erfahrungsmöglichkeiten bieten. Zudem sollten greifbare Ergebnisse und eine gewisse Wirkung in der Öffentlichkeit erkennbar sein.

Diese grob gerasterte Zusammentragung der bisherigen Arbeit von Demokratisch Handelns bot den Teilnehmern eine ausreichende Grundlage für weitere Überlegungen in puncto Schülerpartizipation. In zwei Gruppen wurden folgende Vorschläge für das Förderprogramm erarbeitet:

  1. Demokratisch Handeln durch gezielte Werbung bei Schülerinnen und Schülern publik werden lassen.
  2. An Schülervertretungen herantreten, so dass sich demokratische Haltungen flächendeckend ausbreiten können.
  3. Das Anliegen des Förderprogramms Demokratisch Handeln an alle Jugendorganisationen aller Parteien herantragen.
  4. Texte über Veranstaltungen Demokratisch Handelns in Jugendzeitschriften publizieren.
  5. Einen Schülerreader erstellen, in welchem Projekte vorgestellt werden.
  6. Schülerinnen und Schüler, die an der Lernstatt teilgenommen haben, zu Multiplikatoren fortbilden, so dass sie an andere Schulen herantreten können nach dem Motto: "Schulen werben Schulen; Schüler werben Schüler"; das sollte möglichst in der Zusammenarbeit mit den Regionalberatern stattfinden.
  7. Die Lernstatt Demokratie soll nicht alleine das Ziel des Wettbewerbs, sondern vielmehr der Startpunkt für neue Initiativen demokratischen Handelns sein, beispielsweise durch Schülermultiplikatoren.
  8. Es sollten mehr Schülerinnen und Schüler an der Jurysitzung teilnehmen.

Zum Abschluss des Workshops betonten die Teilnehmer ihre Hoffnung auf die Umsetzung der vorgeschlagenen Punkte, um Schülerinnen und Schüler noch stärker als bislang an der Arbeit des Förderprogramms Demokratisch Handeln.

(Dorothea Nitzsche, Jena, im November 2009)

 
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