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Demokratische Erziehung im Neuen Europa - Herausforderungen für Eltern und Familien.

Eine Konferenz des Arbeitskreis Neue Erziehung e.V. (ANE) vom 2. bis 3. März 2009 in Berlin

Die ethnische, religiöse und kulturelle Vielfalt fordert nicht nur Erziehungsinstitutionen, sondern auch Eltern und Kinder in den europäischen Gesellschaften heraus, sich auf gemeinsame Normen und Werte als Grundlage einer europäischen Zivilgesellschaft zu verständigen. Demokratische Erziehung und die  Erziehung zur Demokratie waren Thema einer Konferenz in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, zu der der Arbeitskreis Neue Erziehung e.V. (ANE) Vertreter von Organisationen aus Europa, darunter auch das Förderprogramm Demokratisch Handeln, eingeladen hatte.

Eltern, Erziehung, Menschenrechte

Den Auftakt der Konferenz bildete ein Vortrag der Vorstandsvorsitzenden des ANE, Heidemarie Arnhold, in dem sie die Entwicklung des ANE skizzierte. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bemühe sich diese als Verein etablierte Initiative, Eltern zu unterstützen, ihre Kinder zu selbstbewussten Bürgern in einem Europa der Vielfalt zu erziehen. Anknüpfungspunkt sei dabei stets das Interesse der Eltern am Wohl ihres Kindes. Mit seinen „Elternbriefen“ bietet der ANE eine Orientierungshilfe für Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder. Um auch Familien mit türkischem, arabischen oder russischem Hintergrund zu unterstützen und Kindern ein tolerantes und gewaltfreies Aufwachsen zu ermöglichen, reiche jedoch die Übersetzung der „Elternbriefe“ allein nicht aus. In einem Europa der Vielfalt müssten Werte, Begriffe und Familienvorstellungen neu miteinander verknüpft werden. Auch müsse neu gefragt werden, welche Unterstützung Eltern und ihre Kinder brauchen, damit ein demokratisches Zusammenleben in ethnischer, religiöser und kultureller Vielfalt gelingt.

Im zweiten Konferenzbeitrag blickte Claudia Lohrenscheit vom Deutschen Institut für Menschenrechte zunächst auf die Entstehung der Menschenrechtserklärung zurück und beschrieb die Durchsetzung von Menschenrechten als einen zähen und langwieriger Kampf sozialer Bewegungen. Nur schrittweise würden die Menschenrechte mehr und mehr Menschengruppen zugestanden. Als sich Olympe de Gouges zu Zeiten der Französischen Revolution für die Gleichberechtigung von Frauen engagierte, wurde sie exekutiert. Es braucht sehr lang, bis Frauen zu den gleichen Rechten wie Männer kamen. Ähnlich zäh gestalte sich auch die Ausdehnung der Menschenrechte auf Sklaven, Schwarze, Kinder und Behinderte. Bei allen Fortschritten, kämen jedoch in vielen Teilen der Erde viele Menschengruppen noch lange nicht in den Genuss der mit universellem Geltungsanspruch formulierten Menschenrechte und der Gleichberechtigung, sei es das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Glaubensfreiheit, das Recht auf ein faires Verfahren und der Schutz vor Willkür, der Zugang zu Sicherheit, Bildung, Arbeit und Gesundheit. Für den Umgang mit Herausforderungen in pluralistischen Gesellschaften und für eine demokratische Erziehung in Europa seien Menschenrechte jedoch grundlegend. Besonders für die Analyse des Erziehungs- und Bildungswesens lieferten Menschenrechte eine kritische Perspektive, so Lohrenscheit. So erscheine auch Deutschland in mancher Hinsicht noch als Entwicklungsland: Die Kinderrechtskonvention wurde 1992 in Deutschland nur unter Vorbehalten ratifiziert. Und Menschen mit Behinderungen werden bis heute von einer gleichberechtigten Teilhabe hinsichtlich Bildung und Arbeit ausgeschlossen, obwohl längst Beispiele gelingender Inklusion existieren. Weiterhin sei zu fragen, wie es um die Verfügbarkeit, den Zugang sowie die Qualität von Bildungsprozessen stehe, in denen die Rechte des Kindes, der Eltern und Pädagogen geachtet werden. Dies beziehe sich auch auf die Bedingungen schulischer Arbeit, etwa den baulichen Zustand und die personelle Ausstattung von Schulen. Im Hinblick auf die Professionalität von Pädagogen müsse gefragt werden, inwieweit Lernprozesse durch die Werte der Menschenrechte geprägt würden. Ein Kopftuchverbot in Schulen etwa diskriminiere nicht nur muslimische Lehrerinnen und Schülerinnen, sondern beeinträchtige auch das Lernen von Toleranz. Menschenrechte könnten sich schließlich als „lebendige Instrumente“ entfalten und einen Beitrag zur Entwicklung von Selbständigkeit, Mündigkeit, Wissen und Kompetenzen leisten.

Auf dem folgenden Podium diskutierten Vertreter von Familien- und Elternorganisationen aus Finnland, der Slowakei, Belgien und Deutschland über demokratische Erziehung als eine Aufgabe für Eltern und Familien. Anne Alitolppa-Niitamo vom Finnischen Familienverband (Väesttöliitto) sprach an, dass sich die Programme der finnischen Regierung zur Förderung aktiver Staatsbürgerschaft auf Schulen konzentrierten und Verbesserungen des Wahlsystems verfolgten. Eltern und Familien sowie ihr Beitrag zum Demokratielernen blieben hingegen unberücksichtigt. Elena Bakosova vom slowakischen Bund der Mütterzentren ging auf die Herausforderungen ein, die sich für Eltern und Familien beim Übergang vom Kommunismus in eine freie Marktwirtschaft ergeben. Mütterzentren und Akademien für Elternschaft leisteten hierbei einen Beitrag zum Brückenschlag zwischen traditionellen und „neuen“ demokratischen Werten in der Kindererziehung. Luk de Smet vom belgischen Familienverband (Gesinzsbond) griff Claudia Lohrenscheits Beitrag auf und plädierte für ein demokratisch strukturiertes Schulwesen, in dem Pflichtschulen kostenlos und unabhängig von sozialen oder ökonomischen Hintergründen zugänglich seien. Wollten Eltern ihre Kinder demokratisch erziehen, müssten sie ihre eigenen Rechte in Einklang mit jenen der Kinder bringen. Erziehung als ein interaktiver Prozess, so de Smet, müsse geprägt sein von Partnerschaftlichkeit, Gewaltfreiheit und positivem Vorleben. Das könnten Eltern lernen. Auch Dudu Sönmezcicek vom ANE betonte die „Graswurzelarbeit“ von Eltern bei der demokratischen Erziehung ihrer Kinder. Besonders bei Konflikten würde sich demokratisches Geschick als hilfreich erweisen, wenn ohne Gewalt ein Ausgleich erreicht werden könne. Frau Sönmezcicek zeigte sich erfreut über jüngst geschaffenen rechtlichen Rahmenbedingen in Deutschland hinsichtlich demokratischer Erziehung. In den Bildungsplänen der Bundesländer sei die Beteiligung von Kindern, Eltern und externer Personen von zentralem Stellenwert. Den gut gemeinten Zielen ständen jedoch „alte“ Einstellungen auf Seiten der Erzieher und Lehrer gegenüber, die noch lernen müssten, Kinder wirklich zu beteiligen. Auch würde die finanzielle und personelle Ausstattung im Erziehungs- und Bildungswesen eine weitgehende Partizipation beschränken. Schließlich beschäftigte sich William Ley vom Bund der Familienorganisationen in der Europäischen Union (COFACE) mit den Debatten um demokratische Werte und Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene. In den jüngsten Debatten zur Kinderbetreuung und den erzielten Einigungen seien das Interesse des Kindes, die Wahlmöglichkeiten von Eltern, Nicht-Diskriminierung, Respekt und Gleichberechtigung deutlich zum Ausdruck gekommen. Ley wies abschließend darauf hin, dass Familienpolitik nicht in den Kompetenzbereich der Europäischen Union falle. Er begrüßte in diesem Zusammenhang die Einrichtung einer europäischen Allianz für Familien auf Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft im Jahre 2007, die die seit 1959 bestehende Konferenz der europäischen Familienminister ergänze.

Aspekte demokratischen Verantwortungslernens: die Arbeit in fünf Workshops

Nach der Mittagspause erörterten die Konferenzteilnehmer in fünf parallelen Workshops Eckpunkte einer demokratischen Erziehung in Europa.

Positive Parenting – Auf gute Art Eltern sein: In einem Workshop tauschten sich die Teilnehmer über Ansätze des „Positive Parenting“ aus Großbritannien, Polen und Deutschland aus. Im Ergebnis wurde herausgestellt, dass sowohl die innere Welt wie die äußere Umgebung der Familien bei der Unterstützung positiver Kindererziehung berücksichtigt werden müssten. Als Herausforderungen wurden Fragen der Finanzierung, Wirksamkeit und Reichweite der Ansätze gesehen. Eine Weiterentwicklung liege in der Intensivierung (freiwilliger) Arbeit mit Minderheitengruppen, im Ideenaustausch sowie in der Umsetzung einer Richtlinie des Europarat zur Unterstützung positiver Kindererziehung.

Welche demokratischen werte benötigen Kinder? Im Workshop von Katherine Bird (Bundesforum Familie) lag der Fokus auf der (Selbst-)Reflexion und Sensibilisierung für die eigenen Werte, die in Biografie und Einstellungen zum Ausdruck kommen. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Studien „KinderSTIMMEN“ und „ElternSTIMMEN“ wurde die Verständigung zwischen Eltern, Erziehern und Lehrern über Werte als wichtiger Schritt für eine Weiterentwicklung der Werteerziehung gesehen.

Mütterzentren und Demokratie: In ihrem Workshop diskutierten Elena Bakosova vom slowakischen Bund der Mütterzentren sowie Cornelia Hönigschmid vom Bundesverband der Mütterzentren die Bedeutung von Mütterzentren bei der Kindererziehung zur Demokratie. Durch eine partizipative Alltagspraxis trügen Mütterzentren zur persönlichen Entwicklung und Reflexion bei. Das Zusammenleben in den Mütterzentren sei durch Aushandlungsprozesse und „learning by doing“ geprägt und fördere somit auch das Erlernen demokratischer Verfahren. Begrüßt wurde die Initiative der deutschen Familienministerin von der Leyen zur Förderung von Mehrgenerationenhäusern, da diese ebenfalls auf ein Lernen durch Zusammenleben abstellten.

EDC - Education for Democratic Citizenship: Virgílio Meira Soares von der Ad Hoc Advisory Group on Education for Democratic Citizenship and Human Rights beim Europarat (ED-EDCHR) machte die Konzepte des Europarats zu demokratiepolitischer Bildung und Menschenrechtsbildung zum Thema. Dabei wurde heraus gestellt, dass diese Konzepte sich auf Schulen und Lehrerbildung beziehen. Um Eltern zu erreichen, brauche es mehr als ihre formale Beteiligung an Schulen. Eltern sollten als Partner im Hinblick auf das Interesse ihres Kindes einbezogen werden. Als erfolgreich hätten sich hierbei gemeinsame Mahlzeiten, Kinogutscheine und Hausbesuche erwiesen. Schritte für eine Weiterentwicklung sahen die Workshopteilnehmer in einem Training von Eltern für Mediation und Moderation, die Bereitstellung verständlichen Materials zu demokratiepolitischer Bildung.

Demokratieerziehung und Migration: Hier wurden Ansätze demokratischer Erziehung für Migrantengruppen thematisiert. Als Herausforderungen wurde die Einbeziehung von Migrantengruppen auf der Grundlage von Respekt und Verständnis für ihre jeweiligen Umstände betont, was zielgruppenspezifische und individuelle Zuschnitte von Programmen voraussetze. Die Anwesenden kamen jedoch auch darin überein, dass Schulcurricula um alltägliche Aspekte von Vielfalt im Zusammenleben erweitert werden müssen.

Demokratie und Religion – Das Beispiel Islam

Der erste Konferenztag fand seinen Abschluss in einer Podiumsdiskussion zur Vereinbarkeit religiöser und demokratischer Erziehung am Beispiel Islam. Moderiert vom Berliner Islamwissenschaftler Reinhard Fischer diskutierten Ines Spielhaus von der Humboldt-Universität Berlin sowie Marianne Vorthoren von der holländischen Stiftung Plattform islamischer Organisationen in Rotterdam (SPIOR). Frau Spielhaus hob die Bedeutung von Moscheen und Gebetsräumen für die Bildung von Kindern, Frauen und Männern hervor. In Studien konnte gezeigt werden, dass viele islamische Gemeinden sich um die Bildung ihrer Mitglieder bemühten. Jedoch bräuchten insbesondere die ehrenamtlich Tätigen hierbei pädagogische Qualifikationen. Frau Spielhaus wies darauf hin, dass durch das Grundrecht auf Glaubensfreiheit Glaubensvorstellungen und Gläubige gleichberechtigt sind. Dennoch würden Debatten über die Nichtvereinbarkeit von Islam und Demokratie geführt, mit denen eine „ausschließende Rhetorik“ bzw. ein „rhetorischer Ausschluss“ von Muslimen einher ginge. Viele Muslime wollten sich gesellschaftlich beteiligen, fühlten sich aber wegen Vorurteilen und Verdächtigungen ausgeschlossen. Anti-demokratische Einstellungen, Extremismus und Exklusion seien keine Facetten der Religion. Das zeigten schon das Dritte Reich oder die Berliner Mauer. Marianne Vorthoren machte deutlich, dass niemand die Macht von Worten unterschätzen solle. Bereits der Ausdruck „westliche Demokratien“ würde nicht-westliche Demokratien ausschließen. Dem gegenüber forderte sie eine „aktive Pluralität“, in der sich Menschen aufgeschlossen begegnen. Dies bedeute auch, sich über universelle Werte zu verständigen. So versuche SPIOR etwa, Muslimen zu vermitteln, dass Zwangsehen und Ehrenmorde nicht islamisch seien, sondern Traditionen, die universelle Menschenrechte verletzten. Die Moscheen seien der geeignete Ort für solche Gespräche. Frau Vorthoren vermisse weiterhin eine Politik, die ausschließenden Ideen wie die anti-muslimischen Äußerungen des holländischen Politikers Geert Wilders couragiert begegne. Dies dürfe nicht den Gerichten allein überlassen bleiben.

Die Grundrechte:  Eine rechtspolitische Problementfaltung

Mit einem eindrucksvollen Vortrag über Grundrechte gelang Lore Maria Peschel-Gutzeit, der früheren Hamburger Justizsenatorin, (Deutschen Liga für das Kind) der Einstieg in den zweiten Konferenztag. Ihre Ausführungen zu rechtlichen Entwicklungen ließen erkennen, wie sich in Gesetzestexten Menschenbilder und Familienmodelle wandelten. Frau Peschel-Gutzeit hat die Rolle des Bundesverfassungsgericht als normstiftender Hüter unserer Verfassung betont, das die Regierung zu gesetzlichen Nachbesserungen verpflichtete, um Grundrechte durchzusetzen. Hier erweise sich die oft gescholtene Verrechtlichung der Politik als segensreich. Dass heute auch Kindern Träger eigener Grundrechte sind, sei einem Urteil der Karlsruher Richter 2008 zu verdanken. Danach hätten Kinder das Recht, von ihren Eltern die bestmögliche Förderung einzufordern. Ähnlich zäh erwies sich die gesetzliche Umsetzung der Gleichberechtigung von Frauen in Männern in der Ehe und die Zuständigkeiten in der Familie. Erst 1980 kam es zu einer Demokratisierung der elterlichen Erziehung, wobei der eigentliche Gestaltungsbereich in der Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) liege. Der §1626 BGB erkläre die Eltern für verantwortlich, in der Familie „auf Augenhöhe“ miteinander zu sprechen. Kinder wurde weiterhin das Recht zugestanden, sich Rat und Beistand vor Gericht einzuholen. Entwürdigende Erziehungsmaßnahmen im Umgang mit Kindern wurden als unzulässig betrachtet. Die Kinderrechtskonvention, so Peschel-Gutzeit, sei Leitfaden für weitere Reformansätze, um Kindern eigene Verfassungsrechte zu geben. In vielen Länderverfassungen seien Kinderrechte verbrieft. Viele Kommunalverordnung sehen die Beteiligung von Kindern in städtebaulichen Angelegenheiten vor, etwa beim Bau von Spielplätzen. Frau Peschel-Gutzeit setze sich darüber hinaus dafür ein, dass Kinder an der Gesetzgebung beteiligt werden. Da auch Kinder zum Volk gehören, von dem die Souveränität ausgeht, hätten auch Kinder von Geburt an ein Wahlrecht – so ihre erfrischend radikal wirkende Art, Grundrechte zu denken. Zu begrüßen sei schließlich, dass sich eine interfraktionelle Initiative im Deutschen Bundestag für die Schaffung eigener Kinderrechte im Grundgesetz einsetze.

Medien, Familie, Schule, Kinderrechte: Veränderungen in Kindheit und Jugend

In der abschließenden Podiumsdiskussion wurde nach den Kompetenzen gefragt, die Eltern für eine demokratische Erziehung ihrer Kinder brauchen. Mary Crowley stellte die Arbeit von Parenting UK vor. Sie berichtete davon, wie bereits Jugendliche auf ihre spätere Rollen als Eltern vorbereitet werden könnten, in dem sie Empathie erleben und Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse und Gefühle eines Babys entwickeln lernten. Jutta Croll von der Stiftung Digitale Chancen berichtete vom Youth Protection Roundtable (YPRT) und den Herausforderungen durch technische Fortschritte. Internet und Mobiltelefone ermöglichten neue Kommunikationsformen, die sich Kinder schneller aneigneten als ihre Eltern. Croll verdeutlichte, dass Eltern wissen sollten, wie das Internet funktioniert. Es gelte, voneinander zu lernen und sich mit gemeinsam geteilten Begriffen und Vorstellungen zu verständigen. Sonja Student von Macht Kinder stark für Demokratie (makista) trat dafür ein, dass Kinderrechte endlich auch die Schulen erreichen sollten, wo alle Kinder zusammen kommen. Herausforderung sei dabei, dass Lehrerinnen und Lehrer eine Haltung entwickeln, in der sich Demokratie als Lebensform ausdrückt. Demokratie solle nicht nur als Thema im Unterricht behandelt werden, sondern im Schulalltag gelebt werden können. Demokratische Erziehung liege in der Verantwortung der Erwachsenen. Diese sollten Kindern „entgegenkommende Verhältnisse“ schaffen, ihnen etwas zutrauen und Gelegenheiten zum Wachsen geben. Lehrer wie Eltern sollten Kinder auf ihrem Weg der Entwicklung von Potentialen begleiten und unterstützen. Dazu brauche es jedoch auch angemessen Zeit, etwa für Klassenräte. Diese seien auch geeignet, moralische Diskussionen zu führen, etwa darüber, was gut und was schlecht im Internet ist. Wenn Kinder beteiligt werden, könnten sie lernen Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Davon profitiere schließlich die ganze Gemeinschaft. Wolfgang Beutel von Förderprogramm Demokratisch Handeln erinnerte daran, dass die Schule neben der Familie eine bedeutsame Erziehungsmacht darstelle, in der Kinder viel Zeit ihres jungen Lebens verbringen. Schule solle zwar zu Demokratie erziehen, sei selbst aber oft keine demokratische Institution. Die Schule lasse nur wenig Zeit für demokratische Aushandlungsprozesse, in denen Konflikte durch Verständigung beigelegt werden und Regeln für ein tolerantes demokratisches Miteinander kultiviert werden könnten. Hierbei attestierte er Nachholbedarf bei der Lehrerausbildung. Demokratie sei nicht nur ein Unterrichtsstoff, sondern eine Aufgabe für alle Lehrer. Demokratische Erziehung infolgedessen auch. Sie sei aber noch nicht ansatzweise Teil der beruflichen Vorbereitung weder im Hochschulstudium, noch in den praktischen Ausbildungsteilen. Zudem sei unübersehbar, dass Anspruch und Realität der Partizipation von Eltern an der Schule auseinanderklafften. Elternarbeit sei seitens der Schule überwiegend Informationsarbeit und zugleich die Erwartung, das schulische Lernen (bspw. durch systematische Hausaufgabenbetreuung) dort zu stützen, wo es die Schule selbst gar nicht leiste oder leisten könne. Eltern und Lehrer wiederum sprächen meistens über die Kinder, selten mit ihnen in diesem Kommunikationsdreieck der schulischen Gruppen. Die Pädagogik fordere vor diesem Hintergrund eine schülerzugewandte Elternarbeit in der Schule – dies sei eine demokratiepädagogische Herausforderung. Demokratie betreffe auch die aktive Beteiligung von Eltern an der Schule und der Förderung ihrer Kinder.

Der Abschluss: Netzwerke bilden, ein Memorandum erarbeiten

Im Anschluss hatten die Teilnehmer der Konferenz die Gelegenheit auf einem „offenen Basar“ verschiedene Organisation und ihre Projekte kennen zu lernen und entsprechendes Material zu studieren und auch mitzunehmen. Parallel dazu fanden Vorstellungen des europäischen Internetportals Respect Works Out!, des griechischen Projekts Zusammen, Lehrer und Eltern (EADAP), des Netzwerks interkultureller Kommunikation (NiC) sowie der Website Aktiv für Kinder statt.

Die Konferenz mündete abschließend in ein „Netzwerk-Treffen“, bei dem sich Vertreter von Organisationen im Bereich Elternarbeit, Familienberatung, Erziehung, Kinderrechten, Schule und soziale Arbeit aus Europa über die Handlungsfelder eines internationalen Netzwerks zu demokratischer Erziehung austauschten. Heidemarie Arnhold und Karl Lemberg vom ANE machten dabei deutlich, dass es ihr Anliegen sei, die Debatte über demokratische Erziehung sowie Erziehung zur Demokratie auf europäischer Ebene langfristig fortzuführen und zu verbreiten. Bis Ende 2009 möchte der ANE mit dem Netzwerk ein gemeinsames Memorandum erarbeiten, um einen kontinuierlichen Diskurs zur Neuen Demokratischen Erziehung in Europa anzuregen. Offen blieb dabei, ob der Arbeitskreis Neue Erziehung seinen Radius mit Hilfe europäischer Partner ausdehnen und selbst der Mittelpunkt bleiben will. Was die Moderation des Netzwerk-Treffens betrifft, stellt Demokratie eben auch eine Aufgabe beim Umgang mit Erwachsenen dar.

(Veit Polowy unter Mitarbeit von Wolfgang Beutel; Berlin/Leipzig/Jena im März 2009)

 
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