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Der dritte "Tag der Talente" in Berlin - Ein Beitrag zum Engagement des Bundes in der Schule

Der September 2008 bot Gelegenheit, die Rolle des Bundes in der Schul- und Bildungspolitik zu bedenken. Denn die zweite Jahreshälfte 2008 zeigte nicht nur die Sommer-Rundreise von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei  guten und interessanten Schulen quer durch die Republik, sondern im September auch zwei große und bundesweit beachtete Veranstaltungen des BMBF in Berlin.

Am 12. und 13. September fand der fünfte Ganztagskongress des Begleitprogramms „Ideen für mehr“ im Berliner Congress Centrum mit großer Resonanz statt. Eine Woche später lud das BMBF vom 20. bis 22. September 200 Schülerinnen und Schüler und betreuende Lehrkräften zur Wettbewerbspräsentation und Bildungsinitiative beim dritten „Tag der Talente“ in das ewerk Berlin-Mitte. Hier haben sich auch die Preisträger und in Projekten engagierte Jugendliche aus den in der Arbeitsgemeinschaft bundesweiter Schülerwettbewerbe verbundenen Angeboten präsentiert. Auch dies war eine Veranstaltung, die nicht nur viele Jugendliche und ihre Lehrkräfte miteinander ins Gespräch brachte, sondern den Anspruch des BMBF unterstrich, trotz föderaler Entflechtung und damit einhergehender politischer Begrenzung eine wichtige und gestaltende Stimme im vielstimmigen Konzert der deutschen Bildungsdebatte zu sein.

Der „Tag der Talente“ legt den Schwerpunkt auf Schülerinnen und Schüler, die sich in den vom BMBF geförderten bundesweiten Schülerwettbewerben zwischen „Jugend forscht“ und „Biologie-Olympiade“, zwischen „Schultheater der Länder“ und „Demokratisch Handeln“ als Leistungsträger und engagierte Jugendliche erweisen können. Andere Wettbewerbe in gesamtstaatlicher Anerkennung – wie der „Geschichtswettbewerb um den Preis des Bundespräsidenten“ oder der „Wettbewerb zur politischen Bildung“ der Bundeszentrale – kommen hinzu. Allen geht es durchaus um eine Pädagogik der Individualisierung in der Lernqualität der Schülerinnen und Schüler, aber auch in der Vielfalt der Wettbewerbsangebote.

Nicht nur Anerkennung, sondern Arbeit an der Sache

Es ist zu begrüßen, dass dieser Schüler-Lehrerkongress sich nach interessanter Programmveränderung in der zweiten Auflage von 2007 in seiner dritten Runde zu einer Arbeitstagung für die jugendlichen Gäste entwickelt hat. Im Mittelpunkt steht neben der Anerkennung für die Wettbewerbssieger die Arbeit in qualifizierenden ganztägigen Workshops bei Partnern wie der Lindenoper Berlin, aber auch dem Potsdam-Institut für Klimafolgen, bei der Berliner Zeitung und beim Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik sowie anderen namhaften Institutionen.

Die Eröffnung dieses bemerkenswerten Jugendkongress in der kreativen Umgebung des ewerks Berlin in der Wilhelmstraße nutzt BMBF-Staatssekretär Andreas Storm für eher allgemeine Perspektiven in Blick auf den Begriff des Talents, der für die Veranstaltung und die gesamte politische Arbeit des BMBF gewissermaßen zum Stichwortgeber, zu einer Art Richtschnur geworden ist: „Aufgabe des ‚Tags der Talente‘ ist es, auf das Potential aufmerksam zu machen, das in den Schülerinnen und Schülern sowie den Schulen der Republik steckt“, so der Staatssekretär. Es gehe im Weiteren darum, „auf Preisträger hinzuweisen, Austausch zu ermöglichen, und neue Ideen zu ersinnen“. Andreas Storm wagte eine gute pädagogische Begründung für eine Praxis des Lernens und auch des Lehrens in der Schule, die die Fähigkeiten und Lernwege des einzelnen Kindes, des individuellen Jugendlichen in den Mittelpunkt rückt: „Begabt zu sein bedeutet besondere Fähigkeiten zu haben, die einen von anderen abheben“, sagt der Staatssekretär so unverfänglich, dass sich jeder Wettbewerbsteilnehmer in seinem Profil, seiner fachlichen Stärke und der bei ihm geförderten Lernwege angenommen fühlen darf. Das darin sichtbare breit angelegte Verständnis von Begabtenförderung – das Spitzenförderung ebenso einschließt wie Breitenförderung, das Individualleistung ebenso anerkennenswert macht wie das gemeinsame Handeln in der Verantwortung von Projektgruppen – kann man aus pädagogischer Sicht nur begrüßen.

Brücken brauen, um die Ideen von morgen heute auf den Weg zu bringen

Natürlich sind solche Bilder wie das der Brücke sinnig und zugleich sehr vieldeutig, durchaus also rhetorisch ambivalente Versatzstücke der Sprache. Andererseits ist es immerhin gelungen, in fünfzehn anspruchsvollen Workshops, die den gesamten Sonntag gearbeitet haben, einen Ansatz für eine akademie-orientierte Werkstattarbeit zu etablieren, also Brücken zwischen Schule und wissenschaftlich fundierter Berufstätigkeit zu schlagen. Schülerinnen und Schüler konnten sich im jeweiligen Spezialgebiet zwischen Operndramaturgie und Klimafolgenforschung, zwischen Journalismus und chemisch-pharmazeutischer Anwendungsforschung (und vielem anderem mehr)  intensiv mit der Verwertungsseite fachlichen Spezialistentums, aber auch universellen Ansprüchen an Können und Leistung konfrontieren lassen. Eine abwechslungsreiche Präsentation von Ergebnissen aus dieser Arbeitsphase gelang den Jugendlichen, wobei durchaus die in Politik engagierte Jugendliche sich daran versucht hat, angewandte Biologie zu verstehen und die Chemiker sich im Journalismus versuchten. Auch das Spezialistentum bei den Wettbewerbsschülern sucht so bisweilen nach Grenzüberschreitungen, ganz im Sinne des Veranstalters.

Rund ein Dutzend Schülerinnen und Schüler aus Projekten des Förderprogramms Demokratisch Handeln waren ebenfalls eingeladen. Sie vertraten Projekte zur „Spaltung der Stadt“ in Bremen, das „Anti-Gealt-Fussballturnier“ in Berlin, das Ethil-Projekt zum Vorbildhandeln in der Politik „Hero-Pillen“ aus dem thüringischen Leinefelde und andere mehr. „Für die Jugendlichen gab es „ein volles Programm, aber es hat auch viel Spaß gemacht", so die 13-jährige Swantje Möhler von der Schule am Leher Markt in Bremerhaven. Alina Keller und Martin Bogus vom Schulzentrum Walliser Straße haben Annette Schavan gleich ein Exemplar ihrer Broschüre zum Armuts-Problem in Bremen „in die Hand gedrückt", sagte Alina Keller. Mit lautstarken Heavy-Metal-Tönen einer preisgekrönten Jugendband schloss der Sonntagabend.

Wettbewerbe als Instrumente langfristiger Förderung der Lernqualität

Bildungsministerin Schavan hat in ihrer abschließenden Grundsatzrede am Montag bei diesem Kongress zur Begabungsförderung einen Fachleistungsbegriff entfaltet, der in der Pädagogik nicht überall nur Freunde findet: „Wir wollen Talente und Begabungen fördern, die zu Spitzenleistungen führen“,  zugleich aber auch die Breite möglicher Talente und die gesellschaftliche Verantwortung aller Spitzenleistungen in der Schule unterstrichen. „Bei Wettbewerben geht es um langfristige Förderung des Lernens in verschiedenen Bereichen“, so die Ministerin, die zugleich den Weg zur differenzierten Schulentwicklung sucht: „Reform wird erst wirksam, wenn wir begreifen, dass jede Schule – von der Förderschule bis zum Gymnasium – eine Zukunftswerkstatt ist, die von der Kreativität und Vielfalt der Menschen in ihr lebt“, so ihre optimistische Bilanz. Die bundesweiten Schülerwettbewerbe können, nach einer kurzen Phase der Verunsicherung 2006, inzwischen im Rahmen der „Neuen Gemeinschaftsaufgaben  Bildung“ als Impuls des BMBF weitergeführt werden. Sie haben, stärker noch als früher, die pädagogische Aufgabe, zur Schulqualität beizutragen. So kann man zusammenfassen: Lernförderung durch Individualisierung ist führt gerade bei den Schülerwettbewerben beide Polen der Begabungsförderung zueinander – in die Breite gehend und dennoch die Spitzenleistung hervorhebend! Das scheint sinnvoll und richtig. Umso mehr bleibt einerseits ein tiefes Staunen über die Selbstentmachtung des Bundes in der Schulpolitik. Einer pädagogisch angereicherten Wettbewerbslandschaft kann man andererseits nur Erfolg wünschen und den Wettbewerben zugleich eine stärkere Beachtung ihrer Potenziale durch die Erziehungswissenschaft. Dem BMBF wiederum ist die Hoffnung auf die Einsicht zu wünschen, den Rest, der für eine Bundesbildungspolitik geblieben ist, weiterhin geschickt in schulpraktische Impulse und Unterstützung umzuwandeln. Der „Tag der Talente“ und die kontinuierliche fachliche und pädagogische Arbeit, die die vielen Wettbewerbsinitiativen in gesamtstaatlicher Förderung und Anerkennung dabei leisten, sind hierfür Beiträge von unschätzbarem Wert.

(Wolfgang Beutel, Jena/Dortmund, 30.09.2008)

 
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