Direkt zum Inhalt springen

Sie befinden sich: Informationen » Veranstaltungen&Termine »

Der Demokratie-Tag Rheinland-Pfalz Nummer zwei: Gut gelungen in Bingen!

Wenn man im herbstlichen Bingen am Rhein die Berufsbildende Schule gefunden hat, dann war einem ein schöner Ausblick sicher – auf die vis-à-vis liegenden Hügel im angrenzenden Rheingau , die in der herbstlichen Sonne vielversprechend glänzten. Vielversprechend war aber auch das Programm des zweiten „Demokratie-Tags“, der damit zugleich (folgt man einem Bonmot, demzufolge zwei Termine...) eine Tradition  begründet hat, die weiterzutragen eine interessante, aber auch fordernde Aufgabe des Kreises engagierter Menschen sein wird, die sich im Umfeld der Landesmodule im BLK-Projekt „Demokratie lernen und leben“ zusammengetan haben. Der Hauptimpuls wird dabei von der neu gegründeten Landesgruppe RLP in der DeGeDe  getragen, die Sonja Student, Hans Berkessel und Horst Blaesy eingerichtet haben. Aus dem Südwesten der Republik kommen weiterhin Impulse für eine demokratische Schule, dessen darf man also sicher sein: „Der Demokratie-Tag“, so Sonja Student, „ist ein Element davon, eine wirksame Transfer-Struktur für die demokratiepädagogische Arbeit in der Zeit nach dem BLK-Projekt zu finden“. Sicherlich ist man noch auf der Suche, wenn man aber die Fülle und Breite des Angebots rückblickend zusammen nimmt, dann ist schon einiges geschehen, das auf Anschlussperspektiven hoffen lässt.

Was hat dieser Tag nun geboten? Beeindruckend war, nebst den bunten und anschaulich gestalteten schulpraktischen Beispielen in der Ausstellung im Foyer der Schule vor allem auch die musikalische Begleitung. Eine kleine Bigband des Pamina-Gymnasiums in Herxheim, die den Verbund mit dem Netzwerk der UNESCO-Schulen repräsentiert,  hat mit ihrem swingenden Lehrer Peter Allmann ebenso mitreißend für Stimmung und Drive gesorgt wie ein Schüler von der Ellerbach-Schule in Bad Kreuznach dadurch beeindruckte, dass er einen schönen Schlager so intensiv und für sich doch frei zum Besten gegeben hat. Ein Beispiel für Selbstwirksamkeitserfahrung im besten Sinne: Sich hinzustellen vor ein Publikum, wenn es einem nicht durch biografische und soziale Erfahrung gegeben ist, sich durch einen begleitenden Musiker sensibel führen zu lassen, das war für diesen Jungen von einer Förderschule ein mutiges, aber  auch Anerkennung erbringendes Erlebnis.

Ministerpräsident Kurt Beck hat ein Grußwort gespendet, das Dr. Richard Hartmann, Abteilungsleiter im Bildungs- und Jugendministerium verlesen hat.  Die Mainzer Regierung erinnert daran, dass bürgergesellschaftliches Engagement, Gewaltprävention und entschiedenes Eintreten gegen Rechtsextremismus ein bestimmender Dreiklang der Schul- und Jugendpolitik im Lande sein will. Daran kann man selbstverständlich anknüpfen und die Transferstelle „Bürgerschaftliches Engagement“ der Staatskanzlei war auch präsent durch einen Infostand und mit Impulsvorträgen von Dr. Frank Heuberger und Birger Hartnuß.

Im Mittelpunkt des gesamten Unternehmens stand nachfolgend ein Reigen interessanter Workshops – wobei durch die kurzfristige Absage des Politikwissenschaftlers Prof. Dr. Werner Patzelt aus Dresden eine gewisse Enttäuschung entstanden war. Gehört er doch zu den Skeptikern gegenüber einer Demokratiepädagogik, die die Priorität auf Erfahrung und Gestaltung demokratischer Verhältnisse vor das komplexe Wissen über Demokratie und Politik setzt. Vielmehr muss aus seiner Sicht guter Fachunterricht anspruchsvolles Wissen in komplexer kognitiver Struktur als Voraussetzung wirklichkeitsnaher politische Bildung begründen; die Debatte hätte spannend werden können. Dennoch: Der dann von Hans Berkessel, Christian Möckel und Kai Partenheimer (Netzwerk Demokratie & Courage) geleitete Workshop konnte sich großer Nachfrage erfreuen. Der Umgang mit der Neuen Rechten und ihrer aggressiven Werbung um die (Schul-)Jugend ist eben ein brennendes Thema, das viele Schulpraktiker bewegt.

Die fünf weiteren Themenkreise „Klassenrat“, „Schule und Unternehmen“, „Kulturelle Vielfalt“, „Kinder- und Menschenrechtserziehung“ sowie „Bürgerschaftliches Engagement in Schule und Kommune“ konnten infolgedessen mit kleineren Gruppen umso intensiver arbeiten. Das Workshop-Angebot war sehr reichhaltig, vielleicht immer noch etwas zu reichhaltig. Dies gilt zumindest für die zweite Runde, in der bspw. die Gruppe zum Thema "Bürgerschaftlichen Engagement" doch nur noch recht geringe Resonanz erhalten hat. Das war schade für die Beteiligten, insbesondere auch für den (übrigens in jedem Workshop) die Leitung mit verantwortenden Jugendlichen des SV-Bildungswerks. 

Zwischen den beiden Arbeitsgruppenphasen hat ein Mann der Wirtschaft das Thema Demokratie und Verantwortung aus seiner Perspektive beleuchtet. Prof. Dr. Marbod Muff, Mitglied in der Unternehmensleitung des weltweit agierenden Pharmakonzerns Boehringer, hat ein wichtiges Signal gesetzt, indem er betont, das unternehmerisches Handeln eben auch zielbezogenes soziales Handeln einer Gruppe von Menschen ist, die für ihr Tun nicht nur Gehalt und Arbeitsplatz, sondern auch Wertschätzung erhalten. Hier liegen zweifellos Berührungspunkte zwischen dem Engagement in der offenen demokratischen Gesellschaft und dem wirtschaftlichen Handeln auf dem freien Markt. Wille, Handlungsbereitschaft und Kompetenz gehören in beiden sozialen Feldern zum grundlegenden Einmaleins – und soziales sowie kommunikatives Kapital sind entscheidende Größen der zivilgesellschaftlichen Kultur und des dritten Sektors. Wirtschaft und Demokratie sind sich näher verbunden, als bisweilen sichtbar ist. Seine hermeneutische Deutung der abendländischen Philosophie-Geschichte und der darin liegende Rückbezug auf demokratische Verantwortung, die jeder an jeder Stelle des gesellschaftlichen Lebens wahrnehmen muss, konnte Prof. Muff angesichts eines disparat besetzten Auditoriums von Kindern, Jugendlichen und Lehrkräften aus allen Schularten anschaulich und direkt vermitteln.

Ein besonders gelungener Demokratie-Tag hat natürlich aber auch verbesserungsfähige Teilelemente. So waren in manchem Workshop zu viele Erwartungen auf machbare Angebote und vorzeigbare Fakten geweckt worden. Beispielsweise hat die Ellerbach-Schule („zur Förderung des Lernens“) sich zur Vorstellung ihrer engagierten und bewundernswerten Arbeit mit vier Leuten präsentiert, was natürlich dazu führen musste, dass insbesondere die zugehörigen externen Partner von der Handwerkskammer und der städtischen Sozialarbeit auch sprechen wollten und können mussten, da sie sich für diesen Tag arbeitsfrei genommen hatten. Auf der anderen Seite war dann für die Impulsreferenten der Präsentationsraum mehr als eingeschränkt.

Trotz dieser kleineren Monita bleibt in der Summe doch ein sehr positiver Eindruck. Denn selten gelingt es, an einem Tag eine so dichte Atmosphäre der gemeinsamen Vergewisserung über den Stand der demokratiepädagogischen Dinge zu erzeugen, dies mit weitergehenden Informationen zu genau eingegrenzten Themen zu verknüpfen, über die Arbeit bei engagierten Schulen Anschauung zu geben und viele Leute mit anregenden informellen Gesprächen zu verbinden. Alleine dieses hat – zusammen mit der öffentlichen Wirkung – den Stellenwert der Netzwerkarbeit zu „Demokratie lernen und leben“ in Rheinland-Pfalz erhöht. Man kann den Pfälzer Kolleginnen und Kollegen nur wünschen: Macht weiter so in diesen fließenden Zeiten, das Modell "Demokratie-Tag" ist sicher ein öffentlichkeitswirksames und politisch moderierbares Element in einer "Transfer-Phase", die ja noch länger dauern wird - ob wir sie schultern können oder nicht. 

(Wolfgang Beutel, Dortmund/Jena, Nov. 2007)

 
© 2008 Demokratisch Handeln | Impressum