Direkt zum Inhalt springen

Sie befinden sich: Informationen » Veranstaltungen&Termine »

"EUre Debatte - Was ist euch wichtig?"

Mit dem Ziel, Europa lebendig und für das tägliche Leben greifbar zu machen, wurde zum Workshop „EUre Debatte – Was ist euch wichtig?“ eingeladen. Die Teilnehmenden sollten selbst über das Thema entscheiden, das diskutiert werden würde. Abstimmungen am Anfang und am Ende der Debatte sollten zudem verdeutlichen, „welche Argumente überzeugt haben und welche nicht“, so die Ankündigung. Am Workshop nahmen neun Schülerinnen und Schüler vom Berliner Beethoven-Gymnasium sowie vier von der Berliner Carlo-Schmidt-Oberschule teil. Anwesend waren aber auch eine Lehrerin von der Carlo-Schmidt-Oberschule, eine Vertreterin des Bildungsministeriums Brandenburg, ein Berater des Förderprogramms Demokratisch Handeln und ein Berichterstatter.

Die Moderatoren Mariella (anstelle der angekündigten Laura Korbmacher) und Jens Jenssen stiegen nach einer Vorstellungsrunde in den Workshop mit einem Europa-Quiz ein: Wer gehört zur Euro-Zone? Wer sind die beiden jüngsten EU-Mitgliedsstaaten? Welches Gemüse wird im Französischen courgette genannt? Wie viele Mitgliedstaaten hat die EU? Wer sind die BeNeLux-Staaten? Wann wurde die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft gegründet? Was ist die offizielle Europäische Flagge? Wer hat EU-Ratspräsidentschaft am 1.1.2007 übernommen? Was ist die bevölkerungsreichste Stadt in der EU? Wer trat 2004 nicht der EU bei? Wer ist ein Mitglied der EU-Kommission? Wer als erstes wusste, dass zum Beispiel die Franzosen mit courgette Zucchini meinen, bekam zur Belohnung eine Minipackung Gummibärchen: klassisch konditioniertes Lernen mit Humor!

Die Themen Europas – vor allem die Zuwanderung!

Nach dieser Annäherung an Europa fragten die Moderatoren nach Themen, die die Schülerinnen und Schüler interessieren. Die Teilnehmenden des Beethoven-Gymnasiums hatten hierzu bereits in der Schule Vorschläge gesammelt und diese auf Pappe geschrieben mitgebracht. Sie fragten sich, warum Europa für Flüchtlinge so interessant ist, warum nicht alle Länder zur EU gehören oder wie Menschen von anderen Kontinenten von Europa denken. Andere Teilnehmer am Workshop interessierten sich für die Finanzen der EU, wie es mit Subventionen steht, ob und warum der Euro ein Teuro ist oder welche Erfahrungen es mit Austauschprogrammen in Europa gibt. Weiterhin wurde gefragt, welche Probleme eigentlich auftreten, wenn es keine Grenzkontrollen gibt? Was passiert an den Außengrenzen der EU? Wer darf rein, wer nicht?

Mariella und Jens schrieben diese Themen und Fragen auf Pappkärtchen und hefteten diese an eine Pinnwand. Diese Sammlung wurde thematisch gruppiert und jede Schülerin und jeder Schüler durfte mit einem Stift drei Punkte für sie oder ihn interessierende Themen verteilen. Das Auspunkten machte deutlich, dass das Thema Einwanderung von großem Interesse war. Um eine Auseinandersetzung, eine Frage nach Gut und Schlecht zu finden, fragte Moderator Jens, worin das Problem hinsichtlich Einwanderern und Einwanderung liegen könnte. „In den Kosten?“, stellte eine Teilnehmerin vorsichtig in den Raum. Jens fragte weiter: Wie ist Zuwanderung eigentlich organisiert? Zu wem kommen die Menschen? Wer ist für die Ankommenden verantwortlich? Immerhin kämen vor allem in Spanien und Italien viele Zuwanderer an.

Mit Verweis auf die Frage, die die Schülerinnen und Schüler vom Beethoven-Gymnasium mitgebracht haben, warum ausgerechnet Europa das Ziel so vieler Menschen sei, einigten sich die Moderatoren mit den Teilnehmenden darauf, die Frage zu diskutieren, ob Europa „ein sicherer Hafen für Flüchtlinge“ sei. Beim ersten Meinungsbild meinten alle dreizehn Schülerinnen und Schüler, dass Europa „ein sicherer Hafen“ bzw. attraktiv sei, weshalb viele Menschen gern hier her wollten.

Pro Europa

Nun wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen geteilt. Eine Gruppe sollte Argumente und Meinungen sammeln und diskutieren, die dafür sprechen, dass Europa attraktiv für Zuwanderer ist. Die andere Gruppe sollte sich dem gegenüber mit Argumenten und Meinungen auseinandersetzen, die gegen eine solche Auffassung sprechen.

Nach dieser Kleingruppenphase und einer kleinen Pause fanden sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder im Sitzkreis zusammen. Je ein Vertreter der Gruppen stellte die Argumente vor, die in den Gruppen diskutiert wurden. Die Pro-Gruppe befand, dass Europa so attraktiv oder ein sicherer Hafen für Zuwanderer sei, da es feste und gut bezahlte Arbeitsplatz gäbe, da für viele Zuwanderer Europa näher liege als andere Gebiete, da es hier vergleichsweise gute Schulen, eine gute Ausbildung gäbe und da Schulwege kurz und sicher vor wilden Tiere seien. Auch sprächen die Achtung der Menschenrechte, die Religionsfreiheit, der Schutz vor Verfolgung, die Standards bei Verpflegung, Unterkunft und Hygiene für die Attraktivität Europas. Zuwanderer aus ehemaligen französischen Kolonien hätten außerdem keine Probleme mit der französischen Sprache, wenn sie nach Frankreich kommen. Die Gruppe betonte allerdings, dass es sich bei diesen Argumenten oftmals um „Traumdenken“ handle.

Contra Europa

Dass Europa überhaupt nicht attraktiv oder ein sicherer Hafen für Zuwanderer sei, trug die Contra-Gruppe vor. Sie argumentierte, dass die Menschen, die nach Europa zu gelangen versuchen, ihr Leben aufs Spiel setzen, da sie sich Menschenhändlern unterwerfen und riskante Seeüberfahrten wagten. In Europa angekommen würden viele Zuwanderer eher ausgebeutet, als dass sie einen sicheren Arbeitsplatz bekommen. Auch mit der Bürokratie kämen nicht alle zurecht. Probleme bei der Integration bereiteten außerdem Fremdheitsgefühle durch andere Sprachen und Kulturen. Auch hindere Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in Europa Zuwanderer daran, sich sicher und heimisch zu fühlen.

In der folgenden Diskussion stellte sich zunächst die Frage, was man gegen Menschenhandel oder Flucht überhaupt tun könne. Trotz aller Risiken sei Flucht für viele Menschen attraktiv. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass es – angesichts so lebensgefährlicher Unternehmungen wie die Fahrt über das Meer in überladenen Booten – für die betroffenen Menschen das Beste sei, gar nicht erst zu flüchten. Entsprechend könnte eine Alternative zur Flucht und den damit verbundenen Risiken sein, jenen Regionen zu helfen, aus denen Menschen flüchten. „Doch wie ist es, wenn die Leute angekommen sind?“, fragte Jens. Es gebe ja kontroverse Meinungen darüber, ob Integration gelinge. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass Sprachkenntnisse die Integration erleichtern. Französisch sprechenden Zuwanderern hätten in Frankreich weniger Probleme. Dass Integration nicht gelinge, zeigten hingegen Ghettos. Solche Stadtgebiete, in denen insbesondere zugewanderte Ausländer wohnen gibt es auch in Frankreich. Auch dort haben Einheimische und Zuwanderer offenbar kaum Kontakt zueinander und leben getrennt voneinander.

Kritisch gesehen wurde auch, dass sich Zuwanderer in Europa oft auf einer permanenten Flucht befinden aus Angst, wieder abgeschoben zu werden. Da sie vom offiziellen Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, arbeiten sie schwarz oder betreiben illegale Geschäfte. Es wurde gefolgert, dass die Erwartungen von Nicht-Europäern hinsichtlich Freiheit und Sicherheit in Europa nur begrenzt erfüllbar sind. Menschen außerhalb Europas müssten folglich diese Erwartungen begrenzen, auch wenn der europäische Lebensstandard in Kontrast zu dem Ihren vergleichsweise höher liege.

Nach der Diskussion: Alles nicht mehr so einfach!

Das Meinungsbild nach dieser Diskussion zeigte, dass die Frage, ob Europa ein sicherer Hafen für Zuwanderer sei, nicht mehr so einvernehmlich beantwortet wurde. Nun stimmten nur noch sechs Teilnehmer mit dafür, dass Europa ein „sicherer Hafen“ für Zuwanderer sei. Hingegen meinten nun sechs Teilnehmer, dass dem nicht so sei. Ein Teilnehmer enthielt sich.

Die Rückmeldung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestätigte, dass die Arbeit in den Kleingruppen als interessant empfunden wurde. Es sei sehr anregend gewesen, sowohl positive als auch negative Argumente zu sammeln, diese zu diskutieren und vergleichen zu können. Das habe die Wahrnehmung für die Probleme anderer geschärft. Es sei auch deutlich geworden, dass man mehr Aufklärungsarbeit leisten müsse und könne. Bedauert wurde allerdings, dass nur eine Frage zur Diskussion stand. Gerade die älteren Schüler meinten, nichts Neues dazu gelernt zu haben. Ein anderes Thema hätten sie spannender gefunden.

Die Änderung des Meinungsbildes habe den Moderatoren gezeigt, dass die Diskussionen fruchtbar waren. Es sei deutlich geworden, dass das Thema Zuwanderung zwar nicht im Rahmen dieses Workshops abschließend behandelt werden kann. Einzelne Aspekte des Themas würden jedoch klarer, wenn man sich weiter damit beschäftige. Probleme müssten eben gesehen und angegangen werden.

Die „Junge Europäische Bewegung“

Zum Schluss des Workshops klärten Mariella und Jens die Teilnehmenden über die Junge Europäische Bewegung (JEB) auf, bei der sich die beiden Studenten engagieren. Diese sei ein Zusammenschluss von Menschen mit Ideen zur Überwindung von Nationalismen, die in der europäischen Vergangenheit oft zu Krieg und Leid geführt haben. Vision der JEB sei es, eine Bundesrepublik Europa zu bilden, in der man demokratisch mitdiskutieren könne. Deshalb führe die JEB Workshops durch, in denen mit jungen Menschen europäische Themen diskutiert werden. Die JEB veranstalte außerdem jedes Jahr im Bundestag eine Simulation einer Sitzung des Europäischen Parlaments, SIMEP genannt. Zum Bedauern der Workshop-Teilnehmer sei SIMEP aber nur für Schülerinnen und Schüler der 11. bis 13. Klasse aus Berlin und Brandenburg. (Veit Polowy, Leipzig)

 
© 2007 Demokratisch Handeln | Impressum