Direkt zum Inhalt springen

Fish-Bowl: Schule - Politische Bildung - Bürgergesellschaft: Wie passt das zusammen?

Als "gemeinsames und gleichzeitig individuelles Schlusswort" denkt sich Sascha Wenzel die abschließende Fish-Bowl-Diskussion. Ständige Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind neben ihm selbst Karin Bergmann, Fachbereichsleiterin für Geschichte, Politik, Sozialkunde und Ethik am Lilienthal-Gymnasium; Wolfgang Beutel, Geschäftsführer des Wettbewerbs Demokratisch Handeln, Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeo Antonio Stiftung sowie Mechthild Niesen-Bolm, Lehrerin an der Fritz-Karsen Oberschule und Mitinitiatorin des Projekts "Hiergeblieben!".

Gleich zu Beginn macht Karin Bergmann die kritische Anmerkung, sie wisse nicht genau, was sie sich unter "demokratischem Lernen und Demokratiepädagogik" eigentlich vorzustellen habe. Und sie stellt den leisen Vorwurf in den Raum, dass Förderprogramme wie Demokratisch Handeln oder Demokratisch leben & lernen keine neuen Demokratiekonzepte entwürfen.

Wolfgang Beutel als Geschäftsführer von greift diese Bemerkung auf und sagt, eine "Stärkung des Vorhandenen" sei der Zweck solcher Vorhaben - nicht das völlig Neue, das es so auch einfach nicht gebe. Es ginge darum, "die Dinge über die eigene Schule hinaus und über das jeweilige Bundesland" weiter zu tragen - und zugleich den herausragenden Projekten Anerkennung, Rückhalt und Bestätigung zu geben. Es gehe nicht immer nur um das "Neue", denn auch "der Papst muss nicht diejenigen missionieren, die nach Rom kommen."

An diesen Tenor schließt sich Anetta Kahane an. "Wir haben wirklich ein großes Problem", und betont, dass nicht die Frage nach der Demokratieform die dringlichste sei, sondern die Frage, "ob überhaupt Demokratie oder nicht!". Sie nimmt damit Bezug auf die Tendenz, dass Rechtsextremismus immer stärker "Versatzstück des alltäglichen Lebens wird - und genau da gehen bei mir alle Alarmglocken los." Sie berichtet von der drohenden Schließung einer Schule und der Gründung einer Bürgerinitiative zur Verhinderung dieser Schließung: "Und nun raten Sie mal, wer dahinter steht: Genau, die Jungs von der rechten Burschenschaft!" Mechthild Niesen-Bolm stimmt ihrer Vorrednerin zu. Neonazis hätten heute keine Glatze mehr, sondern gingen "in die Unis, in die Jugendclubs" und seien damit ungleich gefährlicher - weil nicht mehr ohne weiteres ausgrenzbar - geworden. Sie berichtet von ihrem Projekt "Tanja muss bleiben!", das jetzt seine Fortsetzung in "Hiergeblieben!" findet. Der Auslöser zu diesen Projekten war damals, dass Tanja von Polizisten aus dem Unterricht geholt wurde, weil sie und ihre Familie trotz langjährigem Aufenthalt in Deutschland abgeschoben werden sollten. "Ich dachte, ich bin 60 Jahre zurückversetzt", schildert Niesen-Bolm die Situation und dass in ihr gleich ein Gefühl von "das darf man nicht zulassen" entstanden sei. Demokratie sei nichts Gesichertes, sei immer gefährdet, erinnert sie, aber dass Demokratie umso mehr auch die Freiheit bedeute, sagen zu können: "Das lassen wir uns nicht gefallen!"

An dieser Stelle nimmt ein Lehrer seine Möglichkeit zur spontanen Teilnahme an der Diskussion wahr und stellt die Frage nach der Schulkultur: Sei es schick, Neonazi oder grauer Wolf zu sein? "Wie können Schulstrukturen so verändert werden, dass menschenfeindliche Kulturen keine Chance haben?" Eine Lehrerin erwidert darauf, es habe immer Sinn, Fragen zu stellen. An vielen Stellen habe es aber mehr Sinn, zuzuhören, was denn die Interessen der Schülerinnen und Schüler seien, um die Schulkultur zu verbessern. Und sie erinnert an das abfrageorientierte und wenig demokratiefreundliche Schulsystem: "Schüler können die Prinzipien der französischen Revolution noch so oft hersagen, das heißt noch lange nicht, dass sie wissen, was das bedeutet."

Da greift erneu Anetta Kahane ein, da man aus ihrer Sicht damit eine "ganz zentrale Fragen der Schulpolitik am Wickel" habe. Die Lehrerrolle müsse sich ändern, fordert sie, das selektive Schulsystem ein anderes werden, damit die Bedingungen für eine bessere Schulkultur gegeben seien. Ein anderer Lehrer spottet, es werde "zuviel Bildungspolitik vom Finanzsenator" gemacht und auch er erhält dafür spontanen Applaus. Er ruft zu mehr Eigeninitiative auf und betont, Demokratie bedeute auch, "Schülern an gegebener Stelle Mut und Ungehorsam beizubringen". "Kreative Anarchie" ist ein Stichwort, das diese sicher begeistert aufnehmen werden. Und schließlich: wenn man sieht, mit welchem Elan sich die Schülerinnen und Schüler eigeninitiatorisch in die Projektarbeit stürzen, dann möchte man trotz Stundenkürzungen, zu großen Klassen, und oftmals in der Praxis der Berliner Oberschule höchst schwierigen "Sprach"-Verhältnissen der Schlussthese von Wolfgang Beutel zustimmen: "Es gibt ja nicht nur Anlass zur Klage - es gibt doch auch deutlich sichtbare und gute Erfahrungen mit demokratisch gehaltvollen Schulprojekten - an Schulen in Berlin und darüber hinaus!"

« zurück | Bericht »

 
© 2005 Demokratisch Handeln | Impressum