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I. Vortrag und Diskussionsrunde

Der Start in die Tagung

Dass eine reflektierende Klärung einer scheinbar "inflationären" Handhabung des Begriffs "soziales Lernen" notwendig scheint, lag bereits in den ersten Überlegungen Hans Gänglers. Über eine unbefangene und zugleich vorsichtige Annäherung an das Wort sowie das Phänomen "sozialen Lernens" per Internet-Suchmaschine präzisierte Gängler seinen Zugang zum Thema. Es scheine etwas "mit Konflikt" zu tun zu haben und sei "in seinen Inhalten breit und vielfältig". Im wesentlichen konzentriere sich die gegenwärtige Debatte um das soziale Lernen auf "die Lösung von sozialen Problemen, Gewalt und Mobbing, auf die Stärkung von sozialen und auf das Selbst bezogenen Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern, sowie auf die Förderung einer Beziehungs- und Beteiligungskultur in der Schule". Auch Gängler betont die Zweiseitigkeit sozialen Lernens, seinen Effekt und Ertrag sowohl als intentionales Lernen (also geplant und didaktisch fassbar) als auch als funktionales Lernen (Ergebnis der im zwischenmenschlichen und kulturellen Raum der Schule entstehenden sozialen Erfahrungen). Letztere sind nicht steuerbar, wohl aber analytisch zu fassen und vor allem an jedem Schultag präsent.

In seiner intensiven Überblicksdarstellung erzeugt Prof. Gängler die Wahrnehmung eines Lernens in der Schule, das nebst dem Unterricht als zweite Dimension das Schulleben erfassen muss sowie in der dritten Perspektive die außerschulische Lernumgebung einbezieht. Soziales Lernen ist dementsprechend nicht ausschließlich problemorientiert, sondern zeigt sich als Kernelement der Lernumgebung und Kulturform Schule.

Damit korrespondieren auch die ersten Ergebnisse der Evaluation in den sächsischen Gesamtschulen (durchweg additive Modelle, die freiwillige Nutzung ohne unterrichtliche Benachteiligung zulassen müssen), die Hans Gängler mit einiger Zurückhaltung angesprochen hat. Im wesentlichen zeigt sich auch hier, was andernorts die Ganztagsschulversuche belegen: In solchen Schulen gibt es mehr Zeit, mehr Erfahrung und mehr Anlass für soziales Lernen. Die Schulen, die den ergänzenden Ganztagsmodus als Chance zur inhaltlichen und pädagogischen Profilierung begreifen, sind dabei, ihre sozialen Umgangsformen und ihren demokratischen Gehalt zu kultivieren. Sie werden geprägt von der Einsicht, dass "Verhalten erworben und nicht gelehrt wird".

In der anschließenden Diskussionsrunde, die schon aufgrund der räumlichen Begrenzung nur bedingt der Fish-Bowl-typischen Atmosphäre eines auf Argumente und Gespräch zielenden Angelbeckens von Gleichen unter Gleichen folgen konnte, kam ein sehr lebendiges Gespräch zustande. Ständig waren die beiden Stühle für Plenumsfragen besetzt. Hervorgehoben wurde nochmals, dass "soziales Lernen" zu ermöglichen, zu erkennen und zu fördern ein wichtiger Teil professioneller Handlungskompetenz der Lehrenden in der Schule sein sollte; dass "soziales Lernen" auf Vorbildfunktionen angewiesen ist und deshalb nicht didaktisiert werden kann, wenn ein entsprechendes Verhalten nicht das Lehrerhandeln und die Umgangskultur der Schule prägt. Gerade hier wurde auch die theoretische Rückbindung an die rollentheoretische Grundierung des "sozialen Lernens" in der psychologisch-soziologischen Schule von A. Bandura sichtbar. Deshalb sind - so Gängler - am Ende die Kollegien die Nagelprobe zumindest für ein intentional gestaltbares soziales Lernen an der Schule.

Die Diskussion führte zugleich in die Debatte um Demokratie als Wert bzw. als Verfahrensform und Rationalität von Machtausübung, hatte Gängler in diesem Zusammenhang für Schulen und inbesondere Kollegien doch die "Demokratie" auch als Wert charakterisiert. R. Seiffert, Netzwerkkoordinator der sächsischen BLK-Schulen, stellte diese Wert-These von Gängler infrage und beharrte darauf, dass die darin aus seiner Sicht erkennbare unreflektierte Form der Verwendung von "Demokratie" als Konzept und Begriff nicht weiterführe. Auch wurden empirische Belege dafür angemahnt, dass "soziales Lernen" in diesen Feldern zu einer effektiv höheren Handlungskompetenz im Sozialen bei den Schülerinnen und Schülern führen werden.

Nun hat Hans Gängler die in Aussicht stehende Publikation der Evaluationsergebnisse für die sächsischen Ganztagsschulen angeführt und Wolfgang Beutel verwies auf die Arbeit des Jenaer Lehrstuhls für Schulpädagogik an einer die BLK-Abschlussevaluation begleitenden Erhebung zur Verstehenstiefe und Handlungsbedeutung des Demokratie-Lernens sowie auf bereits vorliegende einzelne Fallstudien zu Projekten demokratischen Handelns. Über die Frage, ob "Demokratie" ein Wert ist und als solcher handlungsprägend in der Schule vermittelt oder auch "sozial gelernt" werden könne, wurde bedauerlicherweise nicht weiter gesprochen, zeigt sich doch gerade da ein Kernproblem der anhaltenden Debatten um Stellenwert und pädagogisch-fachliche Bedeutung der "Demokratiepädagogik".

Programm

Ergebnisse

Materialien

  • Möglichkeiten und Erfahrungen des sozialen Lernens
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  • Vier-Ebenen-Modell
    als PDF-Datei »
  • Fotos

Informationen

  • Literaturhinweise:
    Bandura, A.: Sozial-koginitve Lerntheorie. Stuttgart (Klett) 1979.

    Schermer, F.: Soziales Lernen. In: Rost, D. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim/Basel (Beltz) ²2001, S. 663-668.

 
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