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Workshop 06 | Bericht

"Wie ich wurde, was ich will - Eine Spurensuche mit Musik, Texten und Rap" Ein Bericht

1. Mit einer Hymne gemeinsam in die Spur

Es ist Donnerstag. Ein Feiertag. Doch die Arbeit an der Demokratie geht vor. Die Lernstatt ist ins Rollen geraten. Die 13 Teilnehmer – eine Teilnehmerin entscheidet sich für eine andere Gruppe – haben bereits etliche Arbeitsgruppen und Podien bei dieser Lernstatt hinter sich. Man spürt eine gewisse Erschöpfung. Dennoch: Nun bietet sich die Chance zur eigenen Kreativität. Die Gruppe: Ein Mix von Lehrerinnen sowie Schülern zwischen 13 und 18 Jahren. Sie sammeln sich im Jugendherbergs-Raum. Die Bude ist eng, die Luft dünn. In Schwung kommen als Gruppe steht auf dem Plan. Die teamdynamische Methode des Kreises wird eingeführt. Jeder blickt den anderen von der Kreismitte aus an. Mit wem habe ich es zu tun? Wer interessiert mich?

Man präsentiert sich. Eine stille Übung, die Mut verlangt. Sie wird abgelöst von einer in Bewegung bringenden Aufgabe: direkte Kontaktaufnahme per Handschlag, die nahtlos übergeht ins Spiel der "Reise nach Jerusalem". Eine Teilnehmerin bleibt ohne Stuhl und Platz. Damit steht die Frage im Raum: Wie will die Gruppe mit den Situationen von Ausgrenzung umgehen? Es wird vereinbart, dass sich jeder gut um sich kümmert, aber auch ein Auge auf den Anderen hat. Den Abschluss bildet der "Music walk". Die Gruppe findet einen gesummten Ton, auf den die Lernstatt Hymne aus früheren Workshops intoniert wird: "Hier sind wir und alle zusammen sagen wir, was alles nicht passt. Gesagt. Getan. Aus Nichtstun wird Wut. Dieser Tag ist unser Tag."

2. Gruppen-, Partner- und Themenfindung

Es sind gedrängte erste 30 Minuten. Doch Thema und Gruppe wollen sich erst noch finden. Das Speed Dating, auch als Karussell-Gespräch bekannt, bringt alle mit allen in Kontakt. Wer bin ich? Wofür engagiere ich mich? Wie kam es dazu? Jeder kann sich im Austausch ein erstes Bild machen von seinen Mitakteuren und -akteurinnen in der Gruppe. Zugleich ist es Anregung für die eigene Geschichte davon, wie man wurde, was man ist. Sichtbar mit Spaß und anschwellendem Pegel verlaufen die Gespräche. Sie werden intensiviert durch zwei Partnerinterviews.

Das erste geht mit dem Wunschpartner in Erfüllung. Das zweite ergibt sich durch die zufällige Position im Raum. Ein erstes "Themenspektrum" entsteht. An der Pinnwand sammeln sich die Stichworte: "Zusammenhalt", "Einander vertrauen", "Kleine Talente", "Das Miteinander", "Gemeinsamkeiten trotz Verschiedenheiten", "Persönliche Erfahrung wird zu Engagement", "Ängste überwinden",  "Viel häufiger Gespräche führen, auch mit fremden Personen", "Gleichberechtigung", "Tun", "Begeisterung für Musik", "Es macht mich sehr glücklich Menschen zu helfen" sowie "Freundschaft" - Das ist der Stoff für die folgenden Geschichten. Die Teilnehmer gehen in die erste Schreibrunde.

3. Erste Texte. Erste rhythmische Übungen

Nach einer Dreiviertel-Stunde sind alle zurück. Nun folgt die Vorstellungsrunde. Es wechseln sich knappe Stichwortsammlungen ab mit erster kurzer Prosa. Manche sind vehement in ihren Aussagen. Eine Teilnehmerin hat auf Englisch ein Lied verfasst, eine andere ein Märchen. Eine Gruppe findet den Clou, in einem Zahlenspiel mit dem  Datum die eigenen Aussagen zu verpacken. Ein anderer macht sich in klaren Worten für die Gleichberechtigung stark. In etlichen Beiträgen steckt Persönliches. Bei einem Vortrag rollen Tränen.

Die Gruppe gibt schnell zu verstehen: Nicht alles kann und darf für die Öffentlichkeit sein. Doch jeder erhält für seinen Text Beifall aus der Runde. Der Rap-Text eines Förderschülers heimst indes den kräftigsten Applaus ein. Verlegen malt sich Stolz in sein Gesicht hinein. Auch seine Mitschülerin imponiert die Gruppe mit ihrer einfachen, schüchtern vorgetragenen, dafür unmissverständlichen Werbe-Botschaft für Vertrauen. Das wird der Text, mit dem die Gruppe später ihre Präsentation beginnt.

Vor der Mittagspause folgen rhythmische Übungen, um Rap-Figuren zu trainieren. Sie sollen nochmals Schwung bringen, etwaige Inspirationen liefern und so Abstand zum selbst Geschriebenen erzeugen. Doch die Gruppe lahmt spürbar. Die knappe Zeit für das Schreiben im Workshop, die schlechte Luft im Raum, Müdigkeit – ein Mix aus verschiedenenGründen mag sich darin äußern. Besser, die Gruppe geht in die Mittagspause.

4. Die allmähliche Verfertigung

Nach der Pause: Nochmals spricht man über die Texte. Wie sie verbessern? Was ließe sich aus ihnen noch erzeugen? Die weitere Arbeit verläuft in Tandems. Den Text des Anderen verstehen, Anregungen geben, gegebenenfalls den Stil wechseln, doch nie die Aussage des Anderen verändern oder für sich vereinnahmen. Auch darin liegt eine demokratische Übung und Tugend: Die Argumente des Gegenübers in dem stark machen, worin dessen Stärken liegen. Das Prinzip dafür schlug sich bereits nieder im Katalog der Stichworte: Gemeinsamkeit trotz Verschiedenheit, Zusammenhalt, Vertrauen und das Miteinander. So entstehen neue Textteile, man probiert zugleich, erste Vorlagen in ein Refrain-Muster umzugießen und dergleichen mehr. Mehrere Tandems entscheiden sich für nur einen gemeinsamen Text. Manche kommen derweil nicht so recht weiter. Sie bitten um Hilfe. In zwei Einzelfällen bleibt es bei den ersten Textversuchen.  

5. Die Arbeit an der Präsentation   

All das erfordert noch einmal Zeit. Und dann ist da noch die Aufgabe, daraus eine Präsentation zu gestalten. Nachdem sich die Gruppe gegenseitig die fertigen Ergebnisse vorstellt, macht sich eine gewisse Ratlosigkeit breit. Wo ist der gemeinsame Nenner? Wie fügen sich die doch sehr individuellen Ergebnisse in ein gemeinsames Konzept? Nach einer Pause legt man sich darauf fest, langsam und Schritt für Schritt vorzugehen. Als Klammer bietet sich ein eingeübter Rap Refrain an: "Eins für den Rap, zwei für die Bewegung. Von klein auf geprägt von der Umgebung. Es ist nicht, wo du bist. Es ist, was du machst. Herzlich willkommen bei der Demokratie Lernstatt."

Als zweite Klammer für die Präsentation entscheidet man sich für das Lied der Schülerin, die es in der Zwischenzeit am Klavier vertont hat. Der Gruppe gefällt die Melodie. Sie übernimmt sie summend. So entsteht doch noch, fast schon unerwartet, ein gemeinsames Gerüst, in dem sich nun mit dem Gespür für die passende nächste Passage die Gruppe die einzelnen Texte einfügt. Das nötige Erfolgerlebnis stellt sich bei den finalen Proben ein. Die Präsentation erzeugt eine konzentrierte Spannung und löst beim Zuschauen und Zuhören Kribbeln aus. Damit kann man am nächsten Morgen ohne Frage selbstbewusst auf die Bühne gehen. Gesagt. Getan!

(Heinfried Tacke, Juli 2011)

 

Bilder und Ergebnisse

 
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