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Workshop 05 | Bericht

"Mich laust die Politik Sprechgesänge und  -chöre aus der Flüstertüte"

In der Spannung zwischen Sachthemen und kreativer Arbeit

Kreative Workshops mit politischer Konnotation stehen immer in dem Dilemma, welche Gewichtung die einzelnen Anteile erhalten. Konzentriert man sich mehr auf das Thema? Oder mehr auf die Kreation? Die Workshops der Lernstatt Demokratie sollen indes ein anderes Lernen und Arbeiten vermitteln als in der Schule. Deshalb lag auch in diesem Workshop der Vorrang auf der musisch-gestalterischen Seite. Das Thema "Mich laust die Politik" bot insofern mehr den thematischen Aufhänger. Eine vertiefende politische Einordnung wäre gewiss wünschenswert, kann aber zeitlich nicht geleistet werden. Hinzu kommt, dass auch im Rückmeldebogen zum Workshop von den Teilnehmern vor allem der Wunsch nach mehr Zeit für die Arbeit geäußert wird.

Stimmungsbild: Lausige Politik

Nimmt man die Wortmeldungen und die gesammelten Stichpunkte aus der Workshopgruppe – den Schülerinnen und Schülern – ernsthaft auf, so zeichnet sich eine hohe politische Unzufriedenheit ab. Die zentrale Botschaft ist: Man vermisst Vorbilder in der Politik. Stark bemängelt werden auch fehlende bildungspolitische Perspektiven. Die jungen Menschen sind von Ängstlichkeit gegenüber ihrer Zukunft geprägt. Wo zeichnen sich Aussichten auf einen Job ab? Was ist meine Bildung wert? Wo finde ich meinen Platz in der Gesellschaft? Das politische System und die etablierte Parteien- und Konfliktkultur der Politik im Alltag und in den Medien erleben sie indes als selbstgefällig und auf sich selbst bezogen. Öffentliches Geld wird verbraten. Ideen für die Zukunft - Fehlanzeige. Ohne große Diskussionen fanden diese Punkte einhellig ihren Platz als leitende Themen für die spätere Entwicklung der Präsentation. 

Kreative Arbeit und Gruppenprozesse - Der Weg ist das Ziel

Das Konstrukt des Workshops lässt jedem die Möglichkeit, sich nach eigenem Gusto zu artikulieren. Wer alleine einen Text verfassen wollte, tat dieses. Wer zusammen schreiben wollte, suchte sich dazu einen Partner. Und wer lieber gemeinsam im Chor agierte, brachte dort seine Ideen ein. Ein weiteres Element dieses performativen Workshops ist die gemeinsame Regie. Sprich: Wer mit seinem Part dran ist, der präsentiert ihn auf der Bühne. Alle anderen achten als Zuschauer auf die Wirkung und geben Feedback. Was kommt gut über die Rampe? Was gefällt und beeindruckt? Was lässt sich verbessern? Und wie entsteht aus den Einzelteilen ein Ganzes der Gruppe? Auch Letzteres wird gemeinsam gelöst. Man spinnt Ideen, nickt zustimmend oder verwirft, bis der Vorhang fallen kann für die Endproben.

Das beschriebene Vorgehen ist inzwischen Standard in diesem Rap-/Text- und Chorworkshop. Neu eingezogen wurde eine dezidierte Trainingsrunde. Die Teilnehmer sollen damit rhythmische Grundkenntnisse erlernen und mitnehmen können. Dieses Element ist bei den Teilnehmenden sehr gut angekommen, was die abgegebenen Rückmeldebögen eindrücklich widerspiegeln.

Die Teilnehmer sollen vor allem aber den Workshop als offene demokratisch gehaltvolle Atmosphäre im "kreativ angehauchten" Alltag erleben. Niemand wird zu etwas gezwungen. Jeder soll Gehör finden. Und zusammen wird etwas Gemeinsames realisiert. Es war ein gelungenes Tun – die Gruppe hat sich durch ihr gegenseitiges Gespür für den anderen hervorgetan. Keine Frage: Wenn so Demokratie im täglichen Miteinander als gesellschaftsbezogene Kultur Tag für Tag gelebt wird, dann braucht man keine Sorge haben um die Integration verschiedener Herkünfte bzw. ein faires gesellschaftliches Miteinander. Aber wir wissen natürlich, dass dies der Kitt ist, dass die Politik in der Demokratie um die Grundlagenfragen jedenfalls nicht herumkommt. Vielleicht kann sie Jugendliche künftig in Wahrnehmung dieses prinzipriellen Wollens und Könnens besser mitnehmen?

Gut denkbar, dass die methodischen Einsätze der Übungen: "Jeder ist mit jedem in Beziehung" und "Der Blick geht im Kreis" zu dem positiven Demokratie-Empfinden ihren Beitrag leisteten. Die Moderation war derweil von dem Wunsch getragen, das möglichst jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin mit einem eigenen präsentablen Ergebnis aus der gemeinsamen Zeit geht, das sie sowohl in ihren Überzeugungen und Tun bestärkt als auch an den Erfolg von Gemeinsinn glauben lässt. Weg und Ziel sind folglich nicht voneinander zu trennen. Soweit in gebotener Kürze!   

(Berlin, Juli 2010, Heinfried Tacke)

 
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