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Auf den Spuren jüdischen Lebens in der Neustadt

Wir begeben uns auf Spurensuche jüdischen Lebens in der Bremer Neustadt. Im Gegensatz zu anderen deutschen Städten ist die jüdische Gemeinde in Bremen noch relativ jung. Obwohl hier bereits im Mittelalter sogenannte Schutzjuden lebten, gab es erst 1803 eine feste Gemeinde in der Hansestadt, die aus 28 männlichen Gemeindemitgliedern bestand. Frauen und Kinder wurden damals nicht gezählt. Nach einer ersten Einführung in die Siedlungsbewegungen der Stadt finden wir uns vor dem Landgericht Bremens ein. Hier erinnert eine Gedenktafel an Bürgermeister Johann Smidt, der – neben all seinem Engagement für die Stadt – allerdings auch eine sehr judenfeindliche Politik betrieb, man ist versucht, davon zu sprechen, dass dies zeitüblich war. So verhinderte er die Versuche des damaligen Gemeindevorstehers, beim Rat der Stadt für die Juden Bürgerrechte, freie Religionsausübung und die Genehmigung für freien Handel und freies Gewerbe zu erlangen. Seit 1821 betrieb die Stadt auf Anregung Smidts die "völlige Austreibung der Kinder Israels" als eine "angelegentliche Staatssorge". 1826 hatte er sein Ziel bis auf zwei von Hannover übernommene Schutzjuden erreicht. Doch bereits 1849 erlaubte die neue Verfassung der Stadt, dass sich Juden in Bremen wieder ansiedeln konnten. Woraufhin die Gemeinde wieder wuchs.

Unser Weg führt uns anschließend in die Kolpingstraße 6. Hier erbaute die Gemeinde 1876 ihre erste Synagoge. Vor dem 1938 zerstörten Gottes- und Versammlungshaus erhalten wir einen Einblick in das alltägliche Leben der Gemeinde, das bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sehr lebendig war. Bis 1938 war die Neustadt ein beliebtes Wohn- und Gewerbegebiet der ca. 1.500 Mitglieder zählenden jüdischen Bevölkerung. Dies änderte sich spätestens 1938, da in diesem Jahr sowohl die Synagoge als auch die Friedhofskapelle zerstört wurden und fünf jüdische Mitbürger von SA-Männern hier ermordet wurden. An Martha Goldberg, Dr. Adolph Goldberg, Heinrich Rosenblum, Leopold Sinasohn und Selma Swinitzki erinnert nahe des Landherrn-Amtes seit 1982 ein Mahnmal, das wir im Anschluss an die ehemalige Synagoge besuchen. Im gleichen Jahr erfolgte die Deportation Bremer Juden in verschiedene Konzentrations- und Arbeitslager. Unsere Begleiterin berichtet, dass noch im  Februar 1945 ein letzter Transport mit 90 Menschen Bremen Richtung Theresienstadt verließ, wovon die meisten aber überlebten. Der aus Theresienstadt zurückgekehrte Carl Katz gründete noch im August desselben Jahres die neue "Israelitische Gemeinde".  Doch erst 1961 wurde die Synagoge an der Schwachhauser Heerstraße eingeweiht.

1996 benannte sich die "Israelitische Gemeinde" in "Jüdische Gemeinde im Lande Bremen" auf Wunsch der Gemeindeversammlung um, da man sich einerseits ausdrücklich zum jüdischen Glauben bekennen, andererseits politische Interpretationen vermeiden wollte. Heute zählt die Gemeinde mehr als 1.100 Mitglieder und vereint Juden aus Ungarn, Polen, Rumänien, der Tschechoslowakei, der ehemaligen Sowjetunion, Israel, Chile, Frankreich und dem Iran. Die wechselvolle Geschichte jüdischen Lebens in einer deutschen Großstadt so direkt vor Augen geführt zu bekommen, war für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unseres Spazierganges ein eindrückliches Erlebnis!

(Göttingen, Juli 2010, Michaela Weiß)

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10.09.2010 (LR)

 
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