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Workshop 01 | Bericht

In Frieden sitzen - ein handwerklicher Demokratie-Workshop

Der Frieden ist ein zerbrechliches Ding und nicht immer von Dauer. Das soll in einem jeweils neu aufzubauenden Sitzobjekt deutlich werden. Kord Winter - Designer, Holzbildhauer und kreativer Pädagoge - gelingt es erneut, aus einer gegenständlichen und handwerklichen Gruppenarbeit einen assoziativen und ganz praktischen Kern friedensbetonter Verständigung herauszuarbeiten. Was soll in dem Workshop ganz konkret erbaut werden? Aus rohen Kanthölzern wird eine Sitzrunde für eine Schulklasse. Durch passende Bohrungen und eingeschnitzte Kerben halten die entsprechend zusammen gelegten Kanthölzer mit Hilfe von Rundhölzern diejenigen, die diese Sitzrunde aufgebaut haben. Die verschiedenen Holzteile stehen ganz handwerklich fundiert in Beziehung zueinander, jedes erfüllt eine praktische Aufgabe und keines ist überflüssig. Zugleich ist das Gesamtensemble in seiner Figur an Kontexte - den Raum, den Platz, die Menschengruppe - variabel anzupassen und es soll der Verständigung dienen. Es sind überwiegend Sitzvarianten zu gestalten, die zum Gespräch, zum „Gegenüber sein“ und „Miteinander reden“ einladen.

Darüber hinaus hat die Sache noch ästhetisch-kreative Seiten: Die überstehenden Enden werden mit Schnitzereien verziert oder mit friedens-orientierten, vielleicht auch friedens-stiftenden Worten versehen. Was damit gemeint ist? Wenn sich alle für den Frieden einsetzen (und darauf aufsitzen) wird er stabil und kann viele mittragen. So ist es auch mit dem mobilen Sitzmöbel für den Schulhof.

Die Arbeit beginnt

Am Donnerstag trafen sich fünf der eigentlich gemeldeten 13 Teilnehmer in den Werkräumen der Friedensschule. Sie wurden über die Inhalte, Abläufe und Ziele des Workshops informiert. Am Freitag waren schließlich zehn Menschen bei der Sache, gegen Mittag kamen noch einmal drei hinzu, weil eine andere Veranstaltung ausgefallen war.

Bis zur Mittagspause wurde in erster Linie handwerklich gearbeitet. Es wurden Löcher gebohrt, Kanten und Flächen gehobelt. Auch Teilnehmer der Friedensschule aus einer sechsten Klasse konnten hier gut mitmachen. Die Gruppe war geschlechtergleichgewichtig - bei handwerklichen Dingen ja durchaus noch keine Selbstverständlichkeit. Es gab angesichts des vorgesehenen Arbeits-Programms durchaus Stimmen, die zunächst Bedenken hatten, ob denn das Pensum zu bewältigen sei. Doch wurde nach der Mittagspause schnell deutlich, dass „Übung den Meister“ macht und vieles mit dem Arbeitsfortschritt zügiger von der Hand ging. Zum ersten Mal konnten die Teilnehmer Schnitzeisen, Hobel und andere Profiwerkzeuge benutzen. Hier waren nun wirklich neue und elementare Erfahrungen zu machen.

Handwerk und Demokratie? Was den Teilnehmern dabei so einfällt

Eigentlich ist es ja ein unausgesprochenes und weiterverbreitetes Urteil, das Handwerks-Arbeit und Demokratie primär nichts miteinander zu tun haben. Dabei gibt es - außer zahlreichen assoziativen Bindegliedern wie „Miteinander und arbeitsteilig auf ein Ziel hinwirken“, oder „Respekt vor der Leistung des jeweils anderen haben“ - durchaus weitergehende Überlegungen. Gerade in der deutschen Reformpädagogik ist produktorientierte Projektarbeit und staatsbürgerliche Erziehung bisweilen nah beieinander gedacht worden. So hat der Münchener Berufsschullehrer und Reformpädagoge Georg Kerschensteiner über handwerkliche Projekte (der berühmte „Starenkasten“ ist eines seiner Arbeitsschul-Projekte) und „staatsbürgerliche Erziehung“ aus einer pädagogisch ähnlichen Grundüberlegung heraus nachgedacht. Nun gibt es an Kerschensteiner und der staatsorientierten Pädagogik in der deutschen Tradition natürlich Gewichtiges und Differenziertes zu kritisieren. Aber einen gewissen Charme hat die Idee, miteinander etwas zu erschaffen und die auf das Gemeinsame gerichteten Bezüge dabei klar zu erkennen, natürlich schon. Ein Hauch davon war in der Arbeit dieses Workshops zu erspüren.

Die Bohrmaschine bspw. - ein Ständer-Bohr-Gerät für die hier benötigten dicken Löcher - nötigte ob ihrer Massivität den meisten der Beteiligten großen Respekt ab, so dass sie sich wenn überhaupt erst nach einiger Zeit an das Bohren der 26 mm großer Löcher heranwagten. Das Hobeln der Kanten und Flächen war für Viele wiederum ein großes Erfolgserlebnis - schnell sieht man Veränderung und bekommt ein Gespür für diese Tätigkeit. Einer der Teilnehmer hat bis zum Schluss nichts anderes gemacht. Die anderen haben die Zeit nach der Mittagspause dazu genutzt, um Verzierungen zu schnitzen und diese farbig zu fassen. Beim späteren Aufbau der Bank wurden zahlreiche Ideen, wie die Bank noch anders weitergebaut werden könne, weiterentwickelt.

Die Teilnehmer bedankten sich für die Vermittlung von Kenntnissen und wollten die Anregung, mit geringen Mitteln eine lange, vielseitig einsetzbare Bank zu bauen, mit an ihre Schulen nehmen, um dort das Projekt zu wiederholen.

Was bleibt?

Mit einfachen Mitteln eine flexibel aufzubauende, erweiterbare Sitzbank für eine ganze Schulklasse zu bauen, war nicht nur für die Teilnehmer des Workshops eine nachahmenswerte Idee. Auch zahlreiche Lernstatt-Teilnehmer haben in Anschluss an die Produkt-Präsentation vom Samstag nach den Voraussetzungen gefragt, sich das Bauprinzip gemerkt und die Anregung mit nach Hause genommen. So trägt diese handwerklich orientierte Form des Workshops zu einer Verbreitung von neuen und von Schülern leicht nach zu bauenden Schulmöbeln bei. Darüber hinaus lädt sie zu Gespräch und Verständigung ein und dürfte auch - weil selbst erschaffen - relativ vandalismus-resistent sein. Es ist eben ein Objekt, um darauf „in Frieden zu sitzen“ (Soest/Jena, Juli 2008, Kord Winter unter Mitarbeit von Wolfgang Beutel)

Bilder und Ergebnisse

 
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