Direkt zum Inhalt springen

Sie befinden sich: Startseite » Lernstatt » Jena 2005 » Workshops »

Workshop 03 | Bericht

"Plakatkampagne Politik und Demokratie" - Ein Grafikworkshop

Susanne Pusch, Carl-Zeiss-Gymnasiums Jena

"Ich glaube die Bedeutung der Kunst in Bezug auf "Demokratie lernen und demokratisch Handeln" wird etwas stiefmütterlich behandelt. Die Entwicklung von Bildern und die Kreativität spielt in der Politik überhaupt keine Rolle. Da haben die Parteien zum Beispiel alle die gleichen Plakate - egal welches Programm sie unterstützen", erklärt Ubbo Kügler, der Moderator des Grafikworkshops "Plakatkampagne Politik und Demokratie" zu beginn unserer gemeinsamen Arbeit.

Die zwölf Teilnehmer des Workshops machen es sich nun mit Ubbo Kügler zusammen zur Aufgabe, genau dieses Problem zu beseitigen. Dabei wollen sie etwas entstehen lassen, mit dem sie in der Präsentation zum Abschluss der Lernstatt Demokratie zeigen können, dass gerade Kunst, Grafik und die Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit Bildern für Demokratie und Politik höchst bedeutsam ist.

Ein etwas herausfordernder Start

Am Donnerstag Morgen um 9.00 Uhr beginnt dann die Arbeit in der IMAGINATA. Es herrscht ein reges Treiben. Schüler und Lehrer, aber auch weitere Interessierte haben sich hier versammelt, um an diesem Tag etwas auf die Beine zu stellen und das natürlich innerhalb des großen Themas zur Förderung von "Demokratie lernen und demokratisch Handeln" an der Schule.

Zuerst gibt es ein kurzes Plenum und die immerhin dreizehn Workshop-Gruppen müssen sich dann zügig finden: An Plänen ist zu lesen, wo sich die einzelnen Gruppen treffen müssen. Die Ortangaben sind zum Teil jedoch verwirrend. Bei Namen wie "Reithalle", "Trafoboxen" oder "Theatergarderobe" in einem Gelände, das einem im Prinzip völlig unbekannt ist, kann das auch kaum verwundern.

Der Grafikworkshop soll sich, folgt man dieser Planung, vor dem "Bistro" treffen. Das klappt so weit dann auch ganz gut. Innerhalb kürzester Zeit sitzen die Teilnehmer an den Tischen des Pausen-Imbiss. Organisatorische Fragen tauchen nochmals auf, sonst ist es eher still. Die Teilnehmer wirken noch schüchtern, schließlich kennen sich die wenigsten. Oder es liegt daran, dass sie einfach noch müde sind und auf den Beginn ihrer Arbeit warten.

Kurz vor 10.00 Uhr setzt sich die Truppe endlich in Bewegung. Anders als andere Workshops müssen sie erst noch zur "Fortbildungsakademie der Wirtschaft" wandern, die einen zehnminütigen Fußmarsch erreicht wird. Der Grund ist, dass mehrere Computer und anspruchsvolle Software benötigt werden, die im Gebäude der Imaginata so nicht vorhanden ist.

PC-Ausstattung zur Genüge - Die "Wirtschaftsakademie"

Bei der Fortbildungsakademie angekommen wird der Gruppe endlich ihre eigene Arbeitsstätte eröffnet. Sie betreten einen Raum mit an die 25 Rechnern, mehr als genug also um die Arbeit des Workshops zu ermöglichen. Zwölf Computer werden nun gestartet. Langsam kommt zudem so etwas wie Kommunikation zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf, auch wenn der Auslöser hierfür zunächst die üblichen Probleme mit den Computern sind. Die Arbeitsmotivation steigt allmählich. So scheinen die Teilnehmer des Workshops endlich wach zu werden!

Der Start: Agentur und Auftrag

Ubbo Kügler fragt uns, was eine Agentur sei: Eine Agentur - so lernen wir - ist ein Ort der Kommunikation! Schließlich sind viele Gespräche zwischen Kunde und Agentur notwendig. Man muss sich immer wieder abstimmen, um gemeinsam etwas Großes zu schaffen. Hier zeigt sich auch schon ein erster eher assoziativer Anklang an die Demokratie in diesem Projekt.

Dann wird die eigentliche Aufgabe erklärt: Ein Rollenspiel. Die Gruppe vertritt die Mitarbeiter einer Agentur, die auf die Konzeption und Erstellung von Werbeplakaten und werbekampagnen spezialisiert ist. Das Klassenzimmer wird somit zum Büro der Agentur.

Was ist nun die Ausgangssituation? Man stelle sich vor, dass Deutschland wieder kurz vor den Wahlen stehe - angesichts der aktuellen politischen Ereignisse im Bundestag ja ein durchaus real gewordener Gedanke. Wir spinnen weiter: Es befinden sich 20% jugendliche Politiker (bis 25 Jahre) im Parlament (das kann ja in Echt wohl kaum sein; da müssen wir mal im Bundestag-Handbuch nachschauen, denkt sich der Eine und die Andere). Diese jungen Mandatsträger vertreten ganz neue, moderne und eher basis-demokratische Themen. Sie wollen natürlich für ihre Parteien werben, kommen daher zu unserer Agentur und bitten um Plakate, die ihre politischen Ideen auf neue und ganz besondere Art darstellen.

Ubbo Kügler zeigt uns das Kontrastprogramm zu dieser "Vorstellung: Er gibt uns Beispiele für derzeitige Plakate von Parteien und Politikern. Uns wird schnell klar, dass es sich meist um Fotos von diesen Politikern in Anzug und Schlips handelt. Entspricht das im Ernst Menschen - vor allem auch: junge Menschen - an? Wohl kaum, denn man bekommt durch solche Plakate wenig von den Zielen der Partei mit und man achtet ja sogar kaum darauf von welcher Partei dieser Abgeordnete stammt. Häufig kritzeln Jugendliche sogar Schnurrbärte oder Ähnliches an die Gesichter auf den Plakaten. Schnell sind wir hier einer Meinung: Es muss etwas Neues her!

Wir machen das anders: Die Arbeit beginnt!

Zunächst verständigen wir uns über Voraussetzungen und Perspektiven für unseren Agentur-Auftrag: Erstens geht es uns vor allem um Themen der Jugend, weshalb sich die Gruppe zuvor über derartige Themen Gedanken machen muss. Zweitens sollte man mit seiner eigenen Kreativität neue Bilder, die man mit den Stichworten Demokratie und Politik verbindet, in die Plakate setzen. Drittens sei es wichtig, sich zu überlegen, wie das Plakat aussehen muss, damit die Leute dann auch zur Wahl gehen, bzw. die Partei wählen.

Die Teilnehmer des Workshops lauschen gespannt den Ausführungen ihres Moderators. Sie wirken alle aufmerksam und konzentriert. Vermutlich beginnen viele von ihnen jetzt schon im Gedanken Bilder für ihre späteren Plakate zu entwickeln - Vorstellungen treten vor die Politik, in den Köpfen beginnt es zu grummeln!

(Ubbo_agentur Bild 1 einsetzen!)

Wir verständigen uns darauf, realitätsnah zu arbeiten: Verschiedene Arbeitsphasen werden durchlaufen und innerhalb einiger Stunden sollen präsentationsfähige Ergebnisse entstehen. Um 10.15 Uhr beginnt endlich die erste Phase des Praxisteils - die Konzeptphase "Eins". Hier werden Gruppen gebildet, wobei sich jede ein bestimmtes Thema der Partei ausdenkt und sofort damit beginnt, Probeskizzen zu erstellen, Das Thema wird aufgerastert und Sinnsprüche dafür werden entwickelt. Im Prinzip wird hier eine gewisse Linie erstellt, nach der sich die folgende Arbeit richtet. Nach einer Stunde sollen die Ergebnisse dann den anderen Gruppen vorgestellt werden und diese sind gefordert, Verbesserungsvorschläge zu machen.

Die erste Gruppe besteht aus Peter Voß, Marko Feldmann und Jonas Kuhn. Sofort beginnen die drei mit ihrem Ideenaustausch. Sie scheinen hoch motiviert! Die zweite Gruppe wird aus Antje Fischer und Elisabeth Zeisig gebildet. Sie sind viel ruhiger in ihrer Diskussion, bringen jedoch ebenso schnell Ideen zu Papier. Benjamin Mette, Andrè Accardi, Rainer Kühlewind und Uli Ruhsam bilden die dritte Gruppe. Auch hier findet ein starker Ideenaustausch statt. Gruppe vier besteht aus Hakan Altimas und Sven Suchanek. Sie sind äußerst ruhig, versuchen erst für sich selbst Ideen zu finden. Sie wirken konzentriert und tauschen sich nach einer Weile auch aus.

Allgemein scheinen alle sehr verständnisvoll und freundlich zu sein, jeder ist engagiert und konzentriert bei der Sache. Diese Atmosphäre prägt den gesamten Tag. Ubbo ist froh über die gute Arbeitsatmosphäre.

Die Verteilung von Themen

Es ist nun 11.00 Uhr, jetzt geht es um die Themen: Gruppe 1 erklärt, dass sie sich für Chancengleichheit, vor allem im Bereich der Bildung einsetzen will. Gruppe 2 wählt ein ähnliches Thema - Gleichberechtigte Möglichkeiten für Behinderte an Schulen (Behindertenförderung) und einheitliche Bücher und Lehrpläne. Gruppe 3 will sich mit Umweltschutzpolitik beschäftigen. Die Gruppe 4 setzt sich für eine Herabsetzung der Volljährigkeit ein. Alle Teilnehmer des Workshops diskutieren aufgeschlossen über die Themen. Alle Gruppen kommen zu einem klaren Plan, gerade durch die diskutierende Unterstützung ihrer `Kolleginnen und Kollegenen´.

Bereits um 11.15 arbeiten die Gruppen wieder an ihren Themen. Es wird damit begonnen, nach themengerechten Bildern und Motiven zu suchen, die für Plakate verwendet werden können. Auf Grundlage dieser Bilder entstehen auch Überlegungen zu möglichen Sprüchen, zu sogenannten Slogans bzw. Claims. Die Gespräche werden lauter und die Stimmung lockerer. Ubbo Kügler betreut jede Gruppe, gibt Ratschläge und Denkanstöße. Der Workshop insgesamt arbeitet wunderbar ausgewogen, konzentriert und gezielt an den Plakaten. Doch um 11.50 Uhr gönnt sich der Workshop eine Pause. Die Teilnehmer wandern zur Imaginata zurück, essen dort in Ruhe Mittag und gegen 13.10 Uhr geht es schon wieder weiter mit der Arbeit.

Die Detailarbeit am Nachmittag

Ganze fünf Stunden wird jetzt konzentriert an den Plakaten gewerkelt und gefeilt. Verschiedene Bilder werden genutzt, es entstehen immer neue Claims und die Gestaltung wird von Versuch zu Versuch interessanter, provokativer, ja nahezu professionell.

Gruppe 1 zeigt in seiner Plakatkampagne, bestehend aus zwei Plakaten, dass die Herkunft nichts über die Zukunft einer Person sagen darf. Der Sohn eines gebildeten Anwalts kann damit später zum Beispiel `nur Bauarbeiter` werden, wenn er sich nicht selbst in der Schule anstrengt und etwas für seine Zukunft tut. Der Sohn eines Bauarbeiters hingegen kann, wenn er sich genügend anstrengend, später einmal Anwalt werden. Schranken in der Gesellschaft sollten ein für alle Mal gebrochen werden.

Gruppe 2 zeigt verschiedene wunderschöne Plakate, die fragen, warum Rollstuhlfahrer nicht die Möglichkeit haben, an jeder Schule zu studieren und warum Lehrpläne und Lehrbücher in verschieden Schulen so verschieden seien müssen. Ein einheitliches Schulsystem mit Gleichberechtigung für Behinderte muss geschaffen werden.

Die dritte Gruppe hat drei verschiedene Plakatkampagnen. Alle sollen jedoch die Menschen daran erinnern, die Umwelt zu schützen, um sich am Ende nicht selbst zu schaden. Und das erreichen die Bürger, indem sie die Partei "100 % Zukunft" wählen.

Bei Gruppe 4 fordert die Partei "Freiluft" die Volljährigkeit ab 16. Denn den Jugendlichen sollte schon früh Vertrauen geschenkt werden, damit sie auch schon eher Verantwortung tragen.

So entstehen am Ende 17 wundervolle Plakate, die vor allem auch witzig sind und auf neuen Wegen unsere Vorstellungen von Politik und Demokratie anregen! Die neuen Plakate würden einer Jugendpartei mit neuem Stil sicherlich gut zu Gesicht stehen.

Was bleibt?

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops erreichten in gemeinsamer Sache und in einer demokratischen Kultur des Umgangs und der Debatte, dass jeder sich selbst und seine Ansichten vorstellen, kritisieren und mit der Aufgabe verbinden konnte. Jeder konnte gleichberechtigt am Projekt arbeitete, egal welcher Herkunft - also ganz gleich, aus welchem Ort in Deutschland und von welcher Schulform und -art. Am Ende entsteht, unter nicht leichten Bedingungen (vor allem, was die Zeit betrifft) ein Ergebnis, zu dem eine Gruppe "Ja" sagen kann. In der Präsentation am nachfolgenden Freitag haben die Teilnehmer des Workshops ihre Arbeiten in zwar kurzer, aber sprechender Form dem Plenum der des Projektes `Demokratisch Handeln` vorgestellt und somit auch erreicht, dass zumindest diesen Zuschauern bewusst gemacht wurde, dass Bilder, Kunst und Ästhetik auch in der Politik und Demokratie eine große Bedeutung haben!

Ich hatte als "Reporterin" die Möglichkeit, den Workshop, seinen Verlauf und seine Ergebnisse genau zu beobachten. Dabei empfand ich dieses Projekt als eine wunderbare Erfahrung, die mir den Begriff der "Demokratie" näher brachte: Die verschiedensten Leute haben einen Tag lang gemeinsam gearbeitet und etwas Großes geleistet - sie sind zu Entscheidungen und Ergebnissen gekommen. Sie einigten sich gemeinsam auf Themen, die sie beschäftigen und Forderungen, die sie stellen wollen. Sie haben eindeutig das Ziel ihres Projektes erreicht! Es war wirklich beeindruckend für mich und ich würde diese Erfahrung jeder Zeit gerne wieder machen.

zurück zu WS 03

Bilder und Ergebnisse

 
© 2005 Demokratisch Handeln | Impressum