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Ergebnisse als "Tagesthemen" -
Die Workshoppräsentationen

Die Taschen, Rucksäcke und Jacken sind in der Garderobe verstaut, die ersten Adressen getauscht und in der alten Umspannhalle herrscht schon eine geordnete Betriebsamkeit, als wir sie betreten. Es ist der letzte Tag der Lernstatt Demokratie, es ist der Tag der Workshoppräsentationen, es ist der Tag der kämpferischen politischen Statements, nachdenklichen Reime, des freakigen HipHop und von vielem mehr, und vorne hantieren die Leute um Kord Winter schon mit einer Menge Holz.

Sie sind vom Workshop "Mehr als Mikado" und bauen eine Brücke, die ganz ohne einen Nagel stabil sein soll. Karl-Heinz Goetsch, der Moderator der Workshoppräsentationen, betritt sie wenig später. "Man hört leider nicht, wie mein Herz klopft!", ruft er und wippt vorsichtig, aber: "…sie hält… sie hält!" Per Powerpointpräsentation werden andere Figuren aus Holz gezeigt, das Publikum ist beeindruckt und auch eine Workshopteilnehmerin staunt "immer wieder, wie es funktioniert."

Noch während dieser Workshop mit ein bisschen Lärm das Holz von der Bühne räumt, stehen hier und da Leute im Publikum auf. "Stopp!" ruft einer laut, das sei ja wie in der EU -"alle machen Krach und keiner sagt was!" Andere schließen sich an und motzen über die EU, bis zwei Menschen auf der Bühne das Wort ergreifen: "Kennt ihr euch überhaupt aus?", fragen sie. Die EU bekämpfe die soziale Ausgrenzung, setze sich für die Sicherung der Kinderrechte ein -"das hört sich gar nicht schlecht an", ein Nörgler ist zwischen den EU-Befürwortern und den Gegnern hin- und hergerissen. Und als es heißt, das Geld für Kultur, Bildung und Soziales ginge an die Bauern, wenn sich keiner engagiere, gehen alle auf die Bühne und fordern Mitbestimmung. Man fasst sich an den Händen und schwingt die Arme in die Luft: "Das Haus von Europa wird von unten aufgebaut", heißt es, "und wir sind das Fundament!" Und das war der Workshop "Europa bewegt Schule - Schule bewegt Schule" von Harry Beetz.

Der Workshop "WortWerkStattFlüstern" von Tobias Petzolek trägt Haikus, kleine Gedichte und Geschichten vor. Eine der Teilnehmerinnen stellt sich in die Mitte der Bühne. "Ich bin weiblich", sagt sie, "-naja, jedenfalls bin ich mir der Geschlechtsmerkmale bewusst und wurde entsprechend sozialisiert. Ich bin deutsch -naja, jedenfalls steht es so in meinem Pass." So geht es weiter, bis sie am Ende fragt: "Und was bist du? …Weißt du was? Es ist mir egal. Es muss einen Platz geben, wo ich Mensch sein kann!"

Der Theaterworkshop von Andreas Ittner hat sich das Stück "Der Jasager und der Neinsager" von Bertolt Brecht vorgenommen: Den Knaben, der sich auf eine gefährliche Wanderung begibt, um Medizin für seine kranke Mutter zu holen, verlassen seine Kräfte. Dem Brauch nach soll er in eine Schlucht gestoßen werden. Der Jasager stimmt diesem Brauch zu, alle beklagen die "traurigen Wege der Welt", stürzen ihn aber dessen ungeachtet in die Tiefe, "keiner schuldiger als sein Nachbar." Der Neinsager aber verweigert sich und es wird ein neuer großer Brauch ins Leben gerufen: Wer A sagt, muss nicht B sagen, wenn er erkennt, dass A falsch war. Die anderen Wanderer erkennen, dass die Worte des Knaben vernünftig sind, "auch wenn es nicht heldenhaft ist" und tragen ihn gemeinsam ins Tal zurück, "keiner feiger als sein Nachbar".

Es folgen weitere Workshops, zum Beispiel der Workshop "Linsen los!" von Jens Rißmann, dessen Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Publikum bitten, sich zwei Minuten lang nicht zu bewegen, damit sie es mit ihren aus einer Dose gebastelten Lochkameras fotografieren können. Diese Ankündigung hat ungeplante Auswirkungen, denn als sie kurz darauf den Standort der begehbaren Lochkamera auf dem Gelände der Imaginata zeigen wollen, wagt es keiner, den Kopf zu drehen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Radioworkshops von Ute Eckelkamp müssen schmunzeln, als sie ihre Stimmen über den Lautsprecher hören. "Was verstehen Sie unter Demokratie?", haben sie die Leute auf der Straße gefragt. "Ach, da haben Sie mich jetzt auf dem falschen Fuß erwischt!", meint eine Frau. Das ruft Gelächter hervor -die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Lernstatt Demokratie wissen es -bei aller Bescheidenheit- natürlich besser.

Am Ende, nach der feierlichen Urkundenverleihung, machen sich viele der Jugendlichen mit ein bisschen Wehmut auf den Heimweg, viele sagen, dass sie im nächsten Jahr in Hamburg wieder dabei sein wollen. Sie haben, was sie dazu brauchen -mit Peter Fauser gesprochen: "Mut, achtungsvolle Gegenseitigkeit, kritische Wachsamkeit auch gegenüber dem eigenen Denken und Urteilen, nachhaltiges Engagement, Lernfähigkeit, Verantwortung." -Also dann!



 
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