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Mathias Tretter:
"Die Brille zur Macht" - politisches Kabarett

Freitag abend in Stuttgart. Die Aussicht auf Mathias Tretter hat trotz der fortgeschrittenen Stunde noch viele Menschen auf die hölzernen Kinderstühle in der Aula - die von ihrer Natur her ja immer noch eine Turnhalle ist - gelockt. Und es hat sich gelohnt, zweifellos: Es ist viel böser Humor, den uns der Polit- Satiriker da auf die Bühne holt, treffend, schwarz, schonungslos, witzig. Nicht immer politisch korrekt, manchmal wird das Lachen der ZuschauerInnen von einem kurzen Zögern begleitet bei soviel Respektlosigkeit, viel öfter aber ist es hellauf begeistert. Tretter steht als Häftling aus Bayern auf der Bühne, verhaftet, weil er zu Gewalt bereit war um Kultur zu bewahren. In seiner Zelle setzt er sich, springt auf, spricht, ruft, schlüpft in verschiedene Rollen, gestikuliert, kurz: fasziniert. Er zieht das politische Weltgeschehen komplett durch den Kakao. Die Europawahl ist für ihn die "wichtigste Wahl seit der Wahl des Präsidenten des Dackelclubs." Dass Arnold Schwarzenegger als kalifornischer Gouverneur in keinen Filmen mehr mitspielen will, sei "mehr Kulturpolitik als SPD und CDU zusammen schaffen." Zahnarztpraxen sieht er als "Kandinsky -Vorhöllen: Möglichst viel und möglichst teuer und die Hälfte davon falschrum aufgehängt." Die SPD schließlich bezeichnet er als die "Vorhaut der Arbeiterbewegung - wenn es bumst, zieht sie sich zurück."

Immer wieder bekommt er Szenenapplaus. Lange schon hat er die Herzen des Publikums erobert und darf den Frauen in der Rolle des Marcel Reich- Ranicki auch mitteilen: "Wenn ihr etwas lesen wollt, dann nehmt an der Weinernte teil." Überhaupt hasse er diese billigen Sprüche, mit denen die Frauen ihn immer auf sein Inneres reduzieren wollten. Immerhin gehöre er der "Generation Golf" an, genau wie George W. Bush übrigens, den er uns als ganz typischen Vertreter dieser Generation vorstellt: Im Besitz von viel Geld, ausschließlich Party bis zum Alter von 38 Jahren und "heute besitzt er den Golf - naja, fast." Erwachsen ist Bush über all dem bis heute nicht geworden, dafür sei US -Verteidigungsminister Rumsfeld umso mehr ein "echter Mann". Als dieser hat er vor dem Irak -Krieg entschieden: "Wir müssen reagieren bevor etwas geschieht." Tretter übersetzt uns den Satz in seiner ganzen Absurdität: "Ey ich kenn dich nicht, aber du kriegst auf Fresse!" Später habe Rumsfeld dann gerufen: "Wir müssen reagieren, sonst passiert nichts!" Zur Lage nach der US -Intervention lässt Tretter Rumsfeld fragen: "Wir haben reagiert - warum passiert nichts?" Heute dagegen heisse es: "Ihr müsst reagieren - uns ist da was passiert!" Und Tretter erklärt den Amerikanern, sie müssten lernen: "Demokratie ist zwar Gleichheit, aber nicht die mit dem Erdboden." Es ist nichts anti-amerikanisches gemeint, aber dass er dieses Thema so ausführlich aufgreift, zeigt doch, wie verstörend die aktuelle Außenpolitik Amerikas auf die junge Generation wirkt.

Schließlich verabschiedet Mathias Tretter sich nach drei Stunden großem Kabarett vom Publikum, das ihn nur ungern gehen lässt und noch für zwei Zugaben auf die Bühne zurückjubelt. Diesmal nicht global-politisch, sondern lokal-koloriert: er präsentiert uns Würzburg als Stadt der Männer und der bayerisch-fränkischen Polizei: "passt scho...."! (Marie Wöpking)

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