Donnerstag, 26. Juni 2003

Präsentation der Projekte

Nicht schlecht, was da geboten wird. Zwei Mädchen jonglieren mit Keulen und ein drittes kreuzt seelenruhig die Flugbahnen der harten Plastikkörper. Sie zeigt keine Angst, von einer der schnellen Keulen am Kopf getroffen zu werden. Ein Raunen und ein Staunen wandert durchs Publikum. Gegen Mittag des zweiten Tages ist die Aula voller Leute. Der Zirkustrick soll verdeutlichen, was "Vertrauen“ bedeutet. Vertrauen sei eine der Tugenden, die man für eine erfolgreiche Projektarbeit brauche, erklären uns die Jugendlichen.Genauso wichtig finden sie auch noch "neue Ideen“, "Kommunikation“ und "Grenzen überwinden“. Sieben Gruppen gibt es insgesamt, die ihre Projekte und Schulerfahrungen diskutiert haben. In zwei Stunden wurde deutlich, was allen Projekten gemeinsam ist. Die Ergebnisse präsentieren sie nacheinander auf der Bühne einem sichtlich begeisterten Publikum.


Die Darstellungen sind unterschiedlich. Da gibt es die Gruppe mit den drei Jongleurinnen, die sich der Frage annimmt, wie sich Jugendliche in der Projektarbeit gegen Erwachsene durchsetzen können. Denn was passiert, wenn die ständig dazwischenreden, wird klar, als auf der Bühne ein Erwachsener in das Keulenspiel der drei Mädchen eingreifen will – alle Keulen fallen zu Boden, das Spiel ist aus. Doch wie man sich nun gegenüber solchen Störungen behaupten kann, wird nicht ganz deutlich. Noch eine Gruppe arbeitet mit einer Showeinlage: Vier Freiwillige legen sich auf vier Stühle und zwar so, dass sie jeweils mit ihrem Rücken auf dem Körper eines der drei anderen liegen. Ihre Hände vereinen sie in der Luft zu einem festen Knäuel. Dann werden nach und nach die Stühle weggezogen und zu allgemeinem Erstaunen bricht das Körpergemisch nicht zusammen, sondern bleibt stabil in der Luft, frei schwebend, nur die Beine der Personen auf dem Boden. Der Gruppe geht es darum zu zeigen, wie wichtig es ist, einander „zu halten“ und auch „zusammen-zu-halten“. Eine dritte Gruppe fordert zu „Taten statt Worten“ auf. Man müsse nur die Augen und Ohren auf machen – Sehen und Hören! – schon wisse man, was zu tun sei.

Allgemein wünschen sich einige der Gruppen mehr praxisveränderndes Verhalten statt langwieriger Diskussionen. Da muss sich eine „Konferenz der Tiere“ um die Rechte der Kinder kümmern, weil die Kommissionen der Menschen nur diskutieren und diskutieren und keine Ergebnisse bringen. Und in einer anderen Gruppe sprechen die „Experten“ lange darüber, ob es sinnvoll ist, eine Mauer zu bauen oder besser nicht und brauchen am Ende doch den Rat des weisen Nathans, um zu der Entscheidung zu kommen, dass Mauern nicht immer schlecht seien, sondern manchmal auch als Brücke zwischen den Kulturen dienen könnten.


Sichtlich erfreut kommentiert Peter Fauser, der wissenschaftliche Leiter des Förderprogramms, die Kreativität, Fantasie und Spontaneität der einzelnen Darstellungen. "Wenn ich so etwas sehe, so habe ich nicht das Gefühl, das Demokratisch Handeln immer älter wird, eher im Gegenteil. Ich möchte die Vokabel der Politikverdrossenheit den Politikern überlassen.Hier lebt Demokratie!“. Und als er schließlich alle noch dazu bringt, ein imaginäres Wiener Würstchen zwischen ihren Fingern auftauchen zu sehen, ist ihm ein dicker Applaus sicher.


Eulenspiegel

Ich kann nicht glauben, dass die Schauspieler noch so jung sind (gerade erst Abitur). Wie sie über die Bühne fliegen, trommeln, geigen und Klavier spielen, in Tränen ausbrechen, Russen und Franzosen mimen und dazu und vor allem noch gekonnt in mehrstimmigen Sätzen singen. Pausenlos wird ein Sketch nach dem anderen dargeboten und alle sind sie klug, witzig und böse zugleich. Es ist viel schwarzer Humor, den das Kabarett „Eulenspiegel“ Donnerstag abend auf die Bühne bringt: Zwangsprostitution als schneller Weg zum Reichtum. Die Politikerin, die sich schwört, ihre Stimme nur noch bei Vorauszahlung zu verkaufen. Die zwei Rentner mit Hilfiger-Shirt, 86 und 92 Jahre jung, die Red Bull kippen und nachher noch zwei Tussen aufreißen wollen. Feng-Shui und die neue Darmfloratherapie machen, dass man sich endlich wieder „total locker und harmonisch“ fühlen kann.


Kabarett als Spiegel der Gesellschaft? Nein, so abgedroschene Sätze mag ich nicht schreiben. Gutes Kabarett ist zwar auch Politik, aber vor allem: wenn alle lachen dürfen, weil kaum etwas verschont wird. Nach der Aufführung von Eulenspiegel fühle ich mich neu geboren. Ihre naive und respektlose Art, die Dinge zu betrachten, wirkt ansteckend. Es mag richtig sein, dass die Kabarettisten von vornherein auf verlorenem Posten kämpfen, dass durch ihre Sketche die Menschen auch nicht liebenswürdiger werden. Doch aus dieser Hoffnungslosigkeit entspringt auch ihr Charme. Am Ende singen Eulenspiegel zärtlich von dem „bisschen Glück“, aber sofort reißen sie sich wieder zusammen und zerstreuen jeden Anflug von Rührseligkeit: „Wenn ich wüsst, wo das ist, ging ich zu Beate Uhse rein“. Und doch klingt darin leise eine Sehnsucht mit nach einer Welt, die gerne etwas weniger grell und verlogen sein darf.


Eulenspiegel hören auf, nach 14 Jahren. Seit langen Jahren waren sie auf der Lernstatt Demokratie mit ihrem Programm dabei. In einigen Worten dankt Peter Fauser den Jugendlichen für ihre Auftritte und lobt das politische Kabarett als „Verführung zum eigenen Denken“. Außerdem gibt es rote Rosen und ein begeistertes Publikum als Abschiedsgeschenk. Es ist schade, dass es keine Vorstellungen wie diese mehr geben wird. Verständlich ist die Entscheidung dennoch: Denn es wäre mühsam, noch besser zu werden.
Die gemeinsame CD-Produktion mit Ausschnitten aus der Vorstellung von Eulenspiegel anläßlich der Lernstatt Demokratie 2001 in Aachen kann hier bestellt werden.

 
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